Hochsommermord: Kriminalroman (German Edition)
das Hauptthema der Frühbesprechung. Brandstätter sah darin sogar den entscheidenden Hinweis.
»Wenn wir herausbekommen, was damals war, wissen wir, warum er es getan hat.« Kepplinger warnte entschieden davor, Jessen vorschnell als Täter zu verurteilen. Die Mehrheit der Ermittler schloss sich seiner Meinung an und maß dem Ereignis weniger Bedeutung zu. Schließlich brach Kepplinger die immer gewagteren Spekulationen seiner Kollegen ab und forderte sie auf, konkrete Vorschläge zu machen.
»Also, wie wollen wir mit dem Hinweis umgehen?«
Alle waren sich einig, zunächst Gerd Jessen zu dem angeblichen Vorfall zu befragen.
»Vielleicht ist da überhaupt nichts dran«, sagte Salvatore Falcone. Kepplinger deutete an, sich zusammen mit Lea im Anschluss an die Besprechung darum zu kümmern. Damit war dieses Thema beendet.
Als Nächstes diskutierten sie über die Auswertung der Bilder der Überwachungskameras. Kepplinger räumte ein, dass er es am Vorabend versäumt hatte, dem Smart-Besitzer einen Besuch abzustatten. Sie beschlossen trotz der knappen Zeit, alle ermittelten Fahrzeughalter telefonisch zu befragen. Erst wenn sich weitere Verdachtsmomente ergaben, sollte die betreffende Person genauer unter die Lupe genommen werden.
Christian Schwarz meldete sich zu Wort.
»Ich habe gestern Abend noch mit dem Labor telefoniert. Bei dem verbrannten Gegenstand handelte es sich offenbar um einen Schuh. Allerdings können die Kollegen keine detaillierten Angaben zur Größe und Materialbeschaffenheit machen. Vermutlich irgendein Kunstleder.«
Mit Ausnahme von Lea schien sich zunächst niemand mehr an die Begebenheit auf dem Bauernhof zu erinnern. Erst als sie sich danach erkundigte, ob es sich um einen Mädchenschuh handeln könnte, wurde den anderen der Zusammenhang klar.
»Ich habe natürlich sofort nachgehakt. Aber wie gesagt, das lässt sich nicht mehr feststellen«, antwortete Christian Schwarz. »Sollen wir diesbezüglich noch etwas unternehmen?«
Kepplinger dachte an die seltsame Begebenheit, lehnte aber ab. »Dafür haben wir keine Zeit. Es ist zwar ungewöhnlich, dass jemand mitten in der Nacht Schuhe verbrennt. Aber es ist nicht verboten.«
Die anderen stimmten ihm zu. Lea schien anderer Meinung zu sein, sagte aber nichts.
»Dann kümmern wir uns jetzt wie besprochen nochmals um das Umfeld von Manuela und die Telefonate mit den Fahrzeughaltern. Damit wären wir den Vormittag über beschäftigt«, beendete Kepplinger die Besprechung.
Er hatte alle Vorbereitungen getroffen. Zum letzten Mal ging er seinen Plan Schritt für Schritt durch. Es gab keinen Zweifel, er hatte an alles gedacht. Sogar an den Wetterbericht. Die angekündigten Gewitter waren ihm nur recht. Dann verschwinden die Leute in ihren Häusern, dachte er. Es würde so sein wie bei dem Mädchen. Selbst wenn ihn jemand beobachten würde, gäbe es keinen Anlass, Verdacht zu schöpfen.
Er überlegte, ob er die Injektionen bereits jetzt aufziehen sollte. Aber dann entschied er, sich an seinen Plan zu halten und es erst im Wagen vor dem Haus zu tun. Noch einmal ging er die Fragen durch, die er stellen wollte. Er hatte sich Mühe gegeben, sie in eine Reihenfolge zu bringen. Wie in richtigen Prozessen, die er in zahlreichen Gerichtsfilmen studiert hatte. Nur stand in diesem Fall das Urteil bereits fest, dachte er. Genauso der Ort, an dem er es vollstrecken würde. Der Angeklagte würde ohnehin nichts zu seiner Verteidigung vorbringen können. Die Vorstellung, wie alles ablaufen würde, versetzte ihn in einen rauschähnlichen Zustand. Das Klingeln des Telefons riss ihn aus seinen Gedanken.
In der Annahme, es sei seine Ex-Freundin, ging er ans Telefon.
Die Stimme am anderen Ende der Leitung kam ihm bekannt vor. Der Mann war offenbar stark betrunken, aber den Beschimpfungen nach wusste er mehr, als ihm lieb war. Nachdem er den Hörer wieder aufgelegt hatte, beschloss er, früher als beabsichtigt zur Tat zu schreiten.
Moritz Kepplinger war sicher, dass Gerd Jessen seinen Anruf absichtlich nicht entgegennahm. Das Freizeichen wechselte von einer Sekunde auf die andere in ein Besetztzeichen. Von da an war die Leitung ständig belegt.
»Gut, dann fahren wir jetzt nach Salach«, sagte er zu Lea.
»Ich besorg uns ein Fahrzeug«, erwiderte sie und verließ das Büro. Er trank seinen Kaffee aus, räumte die benötigten Unterlagen in seine Tasche und folgte ihr. Zehn Minuten später standen sie vor der Eingangstür des Mehrfamilienhauses. Lea betätigte den
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