Hochsommermord: Kriminalroman (German Edition)
einen Moment. Sollte sie ihr die Wahrheit sagen?
»Mit ihm sprechen!«
»Jetzt tun Sie doch nicht so geheimnisvoll! Menschenskind, ich mache mir doch genauso Sorgen wie alle anderen. Seitdem Manuela verschwunden ist, denke ich an nichts anderes mehr. Sie ist für mich beinahe so wie meine eigene Tochter.«
Lea atmete tief durch.
»Sie ist tot. Man hat sie identifiziert.«
»Reden Sie keinen Unsinn!«
»Es ist leider wahr.«
Claudia Behrens begann zu schluchzen. »Warum?«
»Ich weiß es nicht.«
Lea wartete, bis sie sich einigermaßen beruhigt hatte.
»Möchten Sie, dass wir das Gespräch beenden?«
»Nein! Bitte legen Sie nicht auf.«
Lea erinnerte sich daran, wie Susanne Jessen vor Monaten darauf bestanden hatte, dass sie in ihrer Nähe blieb. Manuelas Mutter hatte sich auf dem Sofa wie ein kleines Kind an sie geklammert, bis sie vor Erschöpfung eingeschlafen war. Jetzt war sie die Seelsorgerin einer anderen Frau, und es ging dabei um dasselbe Kind. Karma, dachte Lea. Alles begegnet einem so lange wieder, bis man es gut macht.
»Gerd hat es nicht getan. Er liebt seine Tochter über alles.«
»Das glaube ich Ihnen.«
»Er hatte immer Angst, dass ihr etwas zustößt. Manchmal ist er richtig wütend geworden, wenn ich das nicht ernst genommen habe.«
Lea wurde hellhörig.
»Wovor hatte er denn Angst?«
»Das kann ich Ihnen gar nicht genau sagen. Er war einfach immer in Sorge um sie.«
Lea dachte an das Kind von Susanne Jessen, das im achten Schwangerschaftsmonat gestorben war.
»Ich glaube, dass Gerd irgendwann einmal etwas Furchtbares erlebt hat.«
»Wie kommen Sie darauf?«
»Das habe ich Ihnen doch bereits gesagt. Er war immer so besorgt, wenn es um Manuela ging. Außerdem hat er manch mal so Andeutungen gemacht, vor allem, wenn er wieder einen seiner Ausraster hatte.«
»Was hat er denn gesagt?«
»Nichts Genaues, nur Andeutungen, dass ich keine Ahnung hätte, was er alles durchgemacht hat und solche Dinge eben.«
»Was glauben Sie, was er durchgemacht hat?«
»Ich weiß es nicht. Ich weiß es wirklich nicht! Und bitte: Er darf nicht erfahren, dass ich Ihnen das erzählt habe.«
»Manuela wurde ermordet! Sie müssen doch verstehen, dass wir allen Hinweisen nachgehen müssen.«
»Dann schlägt er mich wieder zusammen«, schluchzte sie ins Telefon.
»Das müssen Sie sich nicht gefallen lassen.«
Claudia Behrens reagierte wütend. »Sie haben doch überhaupt keine Ahnung.«
Oh, doch. Die habe ich leider, dachte Lea, behielt den Gedanken aber bei sich.
»Ich verspreche Ihnen, Sie so gut es geht aus der Sache herauszuhalten. Wir könnten den Hinweis auch von einer anderen Person erhalten haben.«
Es folgte eine längere Pause.
»Gut, dann sagen Sie, dass Sie das von jemand anderem haben«, sagte sie schroff und beendete das Gespräch, bevor Lea darauf antworten konnte.
Moritz war von der Müdigkeit überwältigt worden. In den Morgenstunden träumte er davon, auf einen Turm zu steigen, bis die darunterliegende Landschaft nicht mehr zu erkennen war. Nur in der Ferne konnte er noch die Spitze eines Berges erahnen, die über einem Nebelmeer hinausragte. Am Horizont tobte ein heftiges Wetterleuchten. Plötzlich trat jemand neben ihn und sagte, dass es bald ein Gewitter geben würde.
Darauf müssen Sie sich gefasst machen.
Als er sich umdrehte, war die Person verschwunden. Er begann zu frieren und machte sich auf den Rückweg.
Fröstelnd erwachte er aus dem Traum und ging zur Toilette. Als er wieder ins Schlafzimmer zurückkehrte, blickte er aus dem Fenster. In der Ferne sah er plötzlich einen grellen Blitz. Gespannt wartete er auf das Donnern. Aber er hörte es nicht. Zu weit weg, dachte er und versuchte, sich an den Traum zu erinnern. Die Bilder waren unscharf. Er wusste nur noch, dass er von einem Unwetter geträumt hatte. Einer Gefahr, die sich unaufhaltsam näherte.
SAMSTAG
27. Juli 2013
A ls er am frühen Samstagmorgen aufwachte, fühlte er sich wie gerädert. In der Wohnung herrschte eine drückende Schwüle. Moritz Kepplinger quälte sich aus dem Bett und riss die Fenster auf. Trotz der starken Bewölkung zeigte das Außenthermometer dreiundzwanzig Grad. Noch hatte es keinen Tropfen geregnet.
Als er wenig später gedankenverloren in sein Büro trat, erschrak er.
Auf dem Platz gegenüber saß Lea Thomann und blätterte in der Tageszeitung.
»Guten Morgen, da bist du ja endlich!«
Kepplinger sah seine Kollegin verwundert an. Sie lachte.
»Jetzt schau nicht so verwundert.
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