Hochzeit auf griechisch
bei Sonnenaufgang weckt.“
„Oh, Nicholas ist nicht mein Sohn“, berichtigte Helen die andere Frau. „Er ist Delias Kind. Ich habe ihn in meine Obhut genommen, während sie studierte.“ Sie lächelte traurig. „Aber jetzt, da Delia tot ist …“
„Delias Kind, sagen Sie?“, unterbrach Mary sie und betrachtete sie mit einem seltsamen Ausdruck in den Augen. „Ich verstehe. Nun, ich sollte mich auf die Suche nach meinem Mann machen. Es ist schon fast sieben. Zeit für uns zu gehen.“
Verwirrt über Marys Kommentar, hielt Helen inne. Leon musste doch seinen Freunden erzählt haben, dass Nicholas Delias Kind war. Gerade wollte sie Mary folgen und danach fragen, als der Priester an ihre Seite trat. Er verwickelte Helen in einer Mischung aus Griechisch und Englisch in ein Gespräch. Ihre guten Manieren geboten ihr natürlich, die Unterhaltung fortzusetzen. Nachdem der Priester endlich gegangen war, eilte Helen auf die Tür zum Nebenzimmer zu, um nach Nicholas zu sehen.
„Helen“, hielt Leon sie auf. „Gehst du irgendwohin?“
Augenblicklich versteifte sie sich. „Ich wollte zu Nicholas. Er sollte schon längst im Bett sein.“
„Dafür besteht kein Grund. Mary und Chris haben ihn für heute Nacht mit zu sich genommen.“
„Warum?“ Sie gab ihm nicht die Zeit zu antworten, sondern fuhr besorgt fort: „Nicholas war noch nie für eine ganze Nacht von mir getrennt.“ Plötzlich kehrte die alte Anspannung zurück, die sie stets in Leons Gegenwart empfand.
„Dann ist es langsam Zeit dafür. Ich weiß, dass du ihn liebst, aber du läufst Gefahr, ihn mit deiner Nähe zu ersticken“, erklärte er rundheraus. Sie öffnete schon den Mund, um zu widersprechen. Da kam Leon ihr zuvor. „Bevor du etwas sagst – Mary hat angeboten, ihn zu nehmen,nachdem du ihr erklärt hast, dass wir keine Flitterwochen geplant haben. Nicholas war begeistert von der Idee.“
Helen betrat das Schlafzimmer und schloss die Tür hinter sich. Der Raum wurde nur spärlich von zwei Nachttischlampen beleuchtet. Zum ersten Mal in über drei Jahren musste sie sich an einem Abend nicht um Nicholas kümmern. Das machte sie traurig. Anfangs hatte sie das Zentrum seines Universums gebildet. Langsam musste sie wohl akzeptieren, dass er älter wurde und Abenteuer ohne sie erleben wollte.
Seufzend nahm sie sich den Blumenkranz vom Kopf. Unwillkürlich musste sie lächeln. Zumindest hatte Nicholas seinen Willen bekommen. Müde ging Helen in das angrenzende Badezimmer.
Dort schlüpfte sie aus dem Kleid und der Unterwäsche, zog sich eine dünne Haube über das Haar und trat unter die Dusche. Anschließend wickelte Helen ein großes Badetuch um ihren Körper. Vor dem Spiegel über dem Waschbecken bürstete sie die Ringellocken aus, bis ihr wieder die üblichen sanften Wellen über die Schultern fielen. Kein Zeichen der Braut ist geblieben, dachte sie, während sie ihre achtlos auf den Boden geworfenen Kleider aufhob und den begehbaren Kleiderschrank betrat.
Das Hochzeitskleid hängte sie auf einen Bügel. Anschließend zog Helen die Schublade der Kommode auf, ignorierte das durchsichtige Negligé und nahm dasselbe knielange Baumwollnachthemd heraus, das sie auch sonst immer zum Schlafen trug. Ein zärtliches Lächeln umspielte ihre Lippen, während sie die beiden auf der Brust aufgedruckten Teddybären betrachtete. „Superknuddelig“, hatte Nicholas’ Kommentar gelautet.
Immer noch lächelnd, kehrte sie ins Schlafzimmer zurück und stolperte dabei über den Rand des langen Badetuchs.
„Vorsicht.“ Zwei starke Arme griffen nach ihrer Schulterund hielten Helen aufrecht. „Noch besteht kein Grund, vor mir zu knien“, sagte eine tiefe Stimme spöttisch.
„Du!“, rief sie und drehte sich um. „Das dumme Handtuch ist zu lang.“
Helens Herzschlag setzte kurz aus, als sie ihn ansah. Sein großer Körper war in einen schwarzen Bademantel gehüllt, der die behaarte Brust freiließ und nur bis zu den Knien reichte. Für einen Banker, der keine körperliche Arbeit leistete, ist er in bemerkenswert fantastischer Verfassung, ging es Helen spontan durch den Kopf.
Plötzlich fiel ihr ein, dass ihr einziges Kleidungsstück aus einem Badehandtuch bestand, das ihr beim Stolpern verrutscht war. Sie ließ das Nachthemd fallen und zog das Handtuch so hoch wie möglich.
„Das hier ist mein Zimmer, und ich möchte, dass du gehst“, sagte sie.
„Es ist auch meines“, erwiderte Leon und lachte leise. Noch bevor sie die Bedeutung seiner Worte
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