Hochzeit auf Raten
Falerno. Auf rätselhafte Weise verschaffen sich die Neapolitaner alle drei, auch wenn sie keine reichen Leute sind. Dazu kommen noch Feuer, Wasser, Luft und Erde. Auch davon gibt es eine Menge. Sie werden in den verschiedensten Formen an die Fremden verkauft. Nach der Meinung naiver Touristen leben die Italiener davon.
Landschaft und Menschen sind unkomplizierter als anderswo. Da zieht ein Gewitter plötzlich und mit erschreckender Heftigkeit über dem Vesuv auf, und während man noch das Ende seiner Tage befürchtet, lacht die Sonne schon wieder von einem makellosen Himmel. Genauso entflammen und verlöschen hier die Leidenschaften. Das Eindrucksvollste ist aber zweifelsohne der Verkehr. Jeder fährt nach dem Motto: Der liebe Gott wird helfen. Da Italien ein katholisches Land ist und sogar den Papst beherbergt, hilft er auch. Anders ist es nicht zu erklären, daß die Unfallziffer in Italien niedriger liegt als in anderen Staaten.
Der Fremde, der das nicht weiß und dem auch unbekannt ist, daß die Widerstandskraft der Karosserien mit jedem südlichen Breitengrad wächst, verlegt sich aufs Beten.
Kein frommer Pilger kann so inbrünstig beten wie ein Autofahrer aus dem Norden, der mit ansehen muß, wie um ihn herum Fiats und Lancias, Alfa Romeos und Maseratis sich in den großen Städten eine Durchbruchsschlacht nach der anderen liefern. Daß ihre Besitzer dabei noch Gelegenheit finden, den »Mattino« zu lesen oder die Knie einer schwarzhaarigen Signorina zu liebkosen, ist eines jener Mirakel, an denen Italien so reich ist.
Die Fußgänger, an und für sich Relikte aus der Urzeit der Menschheit, sind hier besonders zurückgeblieben. Sie leben noch in dem paradiesischen Zustand, der keine Todesfurcht kennt. Das neueste Kleid der Signora Bellini, die Unfähigkeit der Regierung und das jüngste Spiel Milano: Napoli werden grundsätzlich mitten auf der Straße besprochen. Und zwar sehr heftig und ausdauernd. Einheimische lösen das Problem, indem sie ihren Wagen verlassen und mitdiskutieren. Der Tourist tut am besten daran, unterdessen die Landschaft zu betrachten, eine Beschäftigung, zu der er sonst ohnehin keine Zeit hat. Es sei denn, er gerät in eine Prozession oder in die Vorbereitung für ein Feuerwerk, von denen Süditalien vor allem im Erntemonat heimgesucht wird. (In diesem Fall kann er auch ein Museum besichtigen, falls sich ein solches gerade in der Nähe befindet.) Alles, was an einem Auto waagrecht ist, dient dann als Abstell- oder Sitzplatz. Da Prozessionen ebenso wie Kinder und Hunde die Eigenschaft haben, immer nach unübersichtlichen Kurven aufzutauchen, sind auch vorbeugende Maßnahmen zwecklos.
Das wichtigste Requisit für den Autofahrer ist aber nicht das Auto, sondern die Hupe. Weniger um sich Platz zu verschaffen, als um Lärm zu machen. Wer hupt, hat mehr vom Leben. Wer laut ist, verdient Vertrauen. Je kleiner das Auto, desto lauter die Hupe.
Nach einer Fahrt entlang des Golfes von Neapel kehrten wir nach Pozzuoli zurück, wo wir uns samt Filippo auf einem traghetto nach der Insel Ischia einzuschiffen gedachten. Die letzte Nacht auf dem Festland verbrachten wir im Herzen der Phlegräischen Felder, wo sich im Altertum reiche römische Rheumatiker zwischen Cuma und Bajä gesundzubaden pflegten.
Das war einmal. Heute fahren die reichen Römer anscheinend woanders hin. Wir waren im Albergo Moderno inmitten sorgfältig aufgedeckter Tische die einzigen Gäste, obwohl die Padrona unendlich viel Zeit benötigte, um aus dem Hotelbuch herauszufinden, daß gerade noch ein Zimmerchen frei war. Selbstverständlich mit allem Komfort. Das Essen mußte von nebenan geholt werden, und dort wiederum von nebenan und so fort. Ich vermutete, die Versorgungskette reiche bis in eines der ausgezeichneten Restaurants in Neapel.
Das Zimmerchen entpuppte sich als mittelgroßer Kongreßsaal. Im Bad hätte eine Schulklasse bequem Platz gefunden. Auch der Komfort wies unerwartete Dimensionen auf.
Als erstes entdeckten wir, daß die Badewanne verstopft war. Genaugenommen war sie gar nicht verstopft, der Ausguß funktionierte lediglich umgekehrt. Je länger ich mit meiner Nagelfeile darin herumbohrte, desto höher stieg der Wasserspiegel. Immerhin bot mir diese Umkehr die reizvolle Gelegenheit, dasselbe Wasser zu benützen wie Isabell.
Die Brause verspritzte ihren Inhalt bereits in der Gegend des Wasserhahnes. Dafür ergoß sich bei der Bedienung der Toilette vom Wasserbehälter ein wolkenartiger Regen auf den
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