Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hochzeit auf Raten

Hochzeit auf Raten

Titel: Hochzeit auf Raten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Georg Kaufmann
Vom Netzwerk:
vor der Abreise war ich so weit, daß ich einen Urlaub für meinen Urlaub gebraucht hätte. Natürlich durften wir als »Unverheiratete« nicht gemeinsam auf Urlaub fahren. Offiziell nicht. Andere tun das zwar auch, aber auch die tun es großteils nicht offiziell. Man lebt nicht umsonst in einer sittlichen Gemeinschaft.
    Wir kamen daher überein, unseren Urlaubsantritt zeitlich auseinanderzulegen. Das sah so aus, daß ich den Anfang machte und für fünf Tage in die Abgeschiedenheit meiner oberstlichen Behausung und in dunkle, entfernt liegende Wälder in Verbannung geschickt wurde. Kein Kaffeehaus, kein Kino, kein Restaurant und auch keine öffentlichen Straßen und Plätze. Und wenn, dann nur mit Sonnenbrille, Schirmmütze, hochgeschlagenem Rockkragen und eingezogenem Kopf.
    Das war lästig, aber unumgänglich, da ich offiziell längst abgereist war: nach Stuttgart. Ein Freund in der Metropole des Schwabenlandes war mobilisiert, eine Unmenge Ansichtskarten, die er mir schon vor Wochen zur Unterschrift geschickt hatte, Mitte des Monats mit den herzlichsten Feriengrüßen an meine Freunde und Vorgesetzten zu verschicken.
    Auch das Packen stellte ungewöhnliche Anforderungen an uns. Ich transportierte ihre Koffer zu mir und meine zu ihr. Sie ergänzte meine und ich ergänzte ihre. Dann schloß sie die ihren und ich die meinen. Am Ende waren sie alle wieder bei mir, bis auf jene, über deren Inhalt wir uns nicht einigen konnten. Die kamen dann am Tag der Abfahrt. In Venedig packten wir das Ganze noch einmal gründlich um.
    Venedig! Selbstverständlich begannen wir wie alle Italienfahrer unsere Reise in Venedig, in der Stadt der Lagunen, die treffender die Stadt der Prüfung heißen sollte. Sie ist für den Touristen das, was für den Lehrling die Freisprechung ist. Das Examen findet auf dem Vaporetto statt, mit dem man durch den Canale Grande schaukelt.
    1. Frage: Findest du, daß es diesseits und jenseits des Rialto nach faulem Fisch stinkt?
    2. Frage: Schauderst du bei dem Gedanken, in einem dieser alten Palazzi wohnen zu müssen?
    3. Frage: Stören dich die Hemden und Hosen, die zwischen maurisch-gotischen Pfeilern zum Trocknen aufgehängt sind?
    Wer nicht mindestens zwei dieser Fragen mit Nein beantwortet, hat das Examen nicht bestanden. Der kehre lieber stehenden Fußes um und eile über die Alpen zurück. Er wird die Seele Italiens nie begreifen. Er bleibt zeit seines Lebens ein hoffnungsloser Barbar.
    Wir waren jung, wir waren verliebt, wir waren voll Romantik. Wir haben bestanden. Mit Auszeichnung!
    Eine zweite Prüfung legte mir Florenz auf. Dort fiel ich durch.
    Bis zum Apennin hatte ich es noch zuwege gebracht, unter dem Vorwand, mich erst einhören zu müssen, mit meinen Ita-lienisch-Kenntnissen hinter dem Berg zu halten. Außerdem sprachen ohnehin fast alle deutsch, mit denen wir zu tun hatten. Ich las lediglich mit lauter Stimme alle Reklametafeln, die unseren Weg säumten, nicht ohne sie sofort voll Stolz ins Deutsche zu übersetzen.
    »Bevete Cinzano! — Trinkt Cinzano!«
    »Visítate Firenze! — Besucht Florenz!«
    »Confezione Lubiam! — Konfektion Lubiam!«
    In Florenz verlangte Isabell umfassendere Proben. Auch ich selbst war neugierig, was ich zu bieten hatte. So kaufte ich mir den »Corriere della Sera«.
    Bereits ein flüchtiger Blick auf die erste Seite belehrte mich, daß ich keinerlei Erfolge zu erwarten hatte.
    »Nun, was gibt es Neues?« fragte sie.
    »Ach, nichts Besonderes«, erwiderte ich und faltete das Blatt schnell wieder zusammen. »Immer derselbe Käse.«
    Doch schon hatte ihr ein Bild in die Augen gestochen, von dem sie unbedingt zu wissen begehrte, was es darstellte.
    Feindselig entrollte ich die Zeitung von neuem und bemühte mich, eine glaubwürdige Erklärung zu erfinden.
    Das Unternehmen gelang überraschend gut.
    »Italienisch ist ein Kinderspiel«, sagte ich erleichtert, »vor allem, wenn man Latein gelernt hat und auch sonst ein intelligenter Kopf ist.«
    Sie sah mir bewundernd in die Augen.
    »Sieh bloß her«, fuhr ich belehrend fort, »conversazione heißt Konversation, Unterhaltung, telefono heißt Telefon, collega heißt Kollege, Carlo heißt Karl und acqua heißt Wasser.«
    Ihr Interesse an der Sprachlehre war erwacht.
    »Aha, und acqua calda«, sie stach dabei auf die Bildunterschrift von vorhin, »heißt also kaltes Wasser.«
    »Nein«, erwiderte ich, »so leicht ist es wiederum auch nicht. Acqua calda heißt natürlich warmes Wasser. Das sind eben die Feinheiten

Weitere Kostenlose Bücher