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Hochzeit auf Raten

Hochzeit auf Raten

Titel: Hochzeit auf Raten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Georg Kaufmann
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ahnungslos Darunterstehenden, während es in den unteren und wesentlichen Regionen peinlich ruhig blieb. Der Clou war das Bidet, dessen Kaltwasserhahn betätigt werden mußte, wenn man im Waschbecken warmes Wasser benötigte.
    Als wir diesen ungewöhnlichen Mechanismus endlich begriffen und uns untertan gemacht hatten, entdeckte Isabell eine große schwarze Spinne im Bett. Nun brach die Hysterie des germanischen Großstadtmenschen durch.
    Ich müßte auf der Stelle hinunter zu Filippo, um aus dem untersten Koffer, aus dem untersten Fach das Insektenpulver zu holen, das sie zur Erhöhung unserer Bequemlichkeit mitgenommen hatte.
    Diesem Vorhaben stellte sich jedoch die Zimmertür entgegen, die sich zwar schließen, aber nicht mehr öffnen ließ. Ich versuchte es mit gutem Zureden, dann mit kräftigen Flüchen, und als auch das nichts half, mit brutaler Gewalt. So wenig fest Lichtschalter und Kleiderhaken in der Mauer saßen, so solide war die Tür. Zu guter Letzt, während Isabell splitternackt, mit vor der Brust gekreuzten Händen, von einem Stuhl herab mein Tun beobachtete, trommelte ich mit beiden Fäusten an die unerwünschte Barrikade und brüllte: »Soccorso! Soccorso!«, was laut Wörterbuch soviel wie Hilfe bedeutete.
    Der Ruf verhallte ungehört. Kein Mensch fand sich bereit, soccorso zu leisten.
    »Ich denke«, sagte ich in Schweiß gebadet, »wir lassen es auf morgen.«
    »Auf morgen?«, sie trat mit dem nackten Bein nach mir. »Morgen bin ich vor Aufregung tot.«
    »Beruhige dich«, bat ich, »ich kann doch nicht die Tür eintreten.«
    »Warum nicht? Die Leute sollen sich eben Schlösser anschaffen, die funktionieren.«
    Ich versuchte es von neuem. Vergeblich.
    »Willst du nicht einsehen«, seufzte ich matt, »daß man das Schicksal nicht erzwingen kann?«
    »O du«, fauchte sie von ihrem Podest herunter, »du bist genauso faul wie diese schwarzhaarigen Teufel.«
    »Du Bestie!« rief ich in plötzlicher Wut und packte sie an den Hüften. »Du verdammte kleine Bestie!«
    Schnaufend balgten wir uns an der Tür, daß das Holz ächzte. Schließlich hob ich sie empor und trug sie zum Bett, wo wir ungeachtet der Spinne in den Kissen versanken.
    »Sieh!«
    Mit einem Schrei fuhr sie hoch und streckte den Arm aus. Die Tür stand sperrangelweit offen.

15

    Schon als Kind träumte ich davon, einmal auf einer Insel zu leben. Jetzt war es soweit. Wir würden vierzehn Ferientage in idyllischer Einsamkeit verbringen, fernab vom hektischen Getriebe des Festlandes. Rund um uns würde nur Wasser sein, nichts als blaues, salziges Meerwasser. Wir würden wie Robinson Crusoe aus der Welt sein.
    Haha! Weil Inseln im Ruf stehen, einsam zu sein, sind sie überfüllt. Weil rundherum Wasser ist, fahren darauf Schiffe, und diese Schiffe bringen in regelmäßigen Abständen Menschen: Deutsche, Österreicher, Schweizer, Franzosen, Engländer, Amerikaner und mitunter sogar Italiener. Sie alle suchen die Einsamkeit. Ich habe noch nie so viel Einsamkeitsuchende gesehen wie im Hafen von Ischia.
    Die Italiener sind sehr hilfsbereit. Sie bemächtigen sich deines Gepäcks, auch wenn du noch so bescheiden abwehrst. Sie transportieren es vom Schiff zur Straße und stellen es ab, wenn du dich gerade entschlossen hast, ihnen zu sagen, wohin du die Koffer haben willst. Doch dafür ist die nächste Etappe zuständig, die mit ganz bestimmten Vorstellungen über die einzuschlagende Richtung in Aktion tritt, während die erste mit wehenden Lirescheinen entweicht, um der nächsten Ladung Einsamkeitsuchender behilflich zu sein.
    Trotzdem fanden wir, was wir suchten. Wir fanden es am Strand der Maronti, an der Südküste Ischias, dort, wohin keine Autostraße führte (Wie lange noch?), nur staubige Wege und Sand. Viel Sand, der einem rechts und links in die Schuhe lief.
    Das Haus war in den Felsen hineingehauen und bot erstaunlich viel: eine Terrasse mit einem wundervollen Blick auf das Meer und die Konkurrenzinsel Capri, einen oben offenen Speisesaal mit zweieinhalb Wänden, zweimal täglich funktionierende Duschanlagen, schüchternes elektrisches Licht, Schränke, die man mit dem Knie anheben und zweimal kräftig auf die Vorderfront schlagen mußte. Und Susi, das Motorboot, die direkte Nachfahrin eines Esels, von dem sie die Eigensinnigkeit geerbt hatte.
    Der Wirt hörte auf den melodiösen Namen Gianluigi und war mit seinen knapp dreißig Jahren bereits Chef, Speisenträger, Zählkellner, Fischer, Hausdiener, Stubenmädchen, Bootführer und

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