Hochzeit auf Sizilianisch
natürlich Recht."
Es erfüllte Heather mit großer Genugtuung, dass sie ihr Selbstbewusstsein zurückerlangt hatte - oder zumindest äußerlich so wirkte. Denn wie es in ihr aussah, ging niemanden etwas an. Weshalb sie es auch nicht zeigen, sondern die Tränen der Verzweiflung zurückhalten wollte, bis sie endlich allein wäre.
"Das war's dann wohl", sagte sie kühl. "Ich schlage vor, dass wir nach Hause fahren. Renato, würdest du mich bitte begleiten?"
Doch im selben Moment fiel ihr Blick auf Baptista, die die ganze Zeit schweigend neben ihr gestanden hatte und plötzlich alt und gebrechlich wirkte.
"Es tut mir so Leid, Mamma", suchte sie nach tröstenden Worten. "Ich kann mir vorstellen, wie dir zu Mute ist."
Baptistas Miene war wie versteinert. "Lorenzo war schon immer mein Sorgenkind", sagte sie mit schwacher Stimme. "Das hat man nun davon, wenn man seine Kinder zu sehr verwöhnt."
"Dich trifft nicht die geringste Schuld", widersprach Heather nachdrücklich.
Mit Rücksicht auf Baptista setzte sie nichts weiter hinzu, sondern beließ es bei einem bösen Blick zu Renato.
"Du hast allen Grund, stolz auf dich zu sein." Das Sprechen fiel Baptis ta unendlich schwer, und plötzlich begann sie, leicht zu schwanken, und schloss die Augen.
Renato reagierte am schnellsten. Gerade noch rechtzeitig sprang er vor und fing seine Mutter auf, bevor sie stürzen konnte.
"Legen Sie sie vorsichtig hin", ordnete Angie als erfahrene Ärztin an. Sie kniete sich neben Baptista, öffnete ihr den Kragen und fühlte ihren Puls.
"Ist sie ...?" Renato wagte es nicht, den Gedanken auszusprechen.
"Nein", erwiderte Angie so kurz angebunden wie bestimmt. "Aber sie muss sofort ins Krankenhaus."
Ein aufmerksamer Hochzeitsgast hatte bereits den Krankenwagen gerufen, und beide Söhne begleiteten ihre Mutter, als sie auf einer Trage aus der Kathedrale getragen wurde.
"Und was machen wir jetzt?" fragte Angie, nachdem sie es dankenswerterweise übernommen hatte, der Hochzeitsgesellschaft die Situation zu erklären, ohne allzu viele Details preiszugeben.
„Wir fahren ins Krankenhaus", erwiderte Heather bestimmt. "Ich muss wissen, wie es Baptista geht."
In der Notaufnahme trafen sie auf Renato und Bernardo, die aufgeregt den Flur auf und ab liefen. "Wie geht es ihr?" erkundigte sich Heather und wandte sich bewusst an Bernardo. Sie hatte beschlossen, Renato einstweilen zu ignorieren.
Ein Krankenhaus war kaum der richtige Ort, ihm die Meinung zu sagen, und die Sorge um Baptista quälte sie schon genug.
"Genaues wissen wir auch noch nicht", erwiderte Bernardo, "doch so schnell ist Mamma nicht unterzukriegen. Sie hatte schon öfter solche Schwächeanfälle, aber bislang ist sie noch jedes Mal wieder auf die Beine gekommen."
"Machen wir uns nichts vor", wandte Renato bedrückt ein, "in ihrem Alter erholt man sich nicht mehr so leicht davon. Zumal ihr Herz ohnehin angegriffen ist. Ich befürchte, wie müssen uns auf das Schlimmste gefasst machen."
"Dazu besteht nicht der geringste Anlass", widersprach Angie. "Ich bin ziemlich sicher, dass es sich nicht um eine Herzattacke, sondern um einen vergleichsweise harmlosen Kreislaufkollaps handelt. Und als Ärztin weiß ich, wovon ich rede."
Zumindest Bernardo schien ihr zu vertrauen, denn er sah sie dankbar und erleichtert an. Als er ihr verstohlen die Hand drückte, verspürte Heather eine eigentümliche Rührung. Obwohl sie sich erst wenige Tage kannten, konnten sich die beiden selbst in dieser schweren Stunde einander Halt geben. Und sosehr sie sich für die beiden freute, so schmerzlich wurde ihr bewusst, dass ihr jenes Gefühl, nach dem sie sich immer gesehnt hatte, versagt bleiben musste.
Plötzlich fiel ihr ein, dass sie noch immer ihr Hochzeitskleid trug. In dieser Minute sollte sie eigentlich neben Lorenzo vor dem Altar knien und den Segen des Erzbischofs empfangen. Doch was der schönste Tag ihres Lebens werden sollte, hatte in einer Katastrophe geendet. Und der Mann, dem sie das zu verdanken hatte, stand direkt vor ihr.
Zeitlebens hatte Heather sich gefragt, was einen Menschen dazu bringen konnte, einen anderen zu hassen oder zu verachten. Nun meinte sie die Antwort zu kennen, und selbst das alte Sprichwort, nach dem Rache süß war, bekam plötzlich einen Sinn.
Unwillkürlich sah sie zu Renato, und sein Blick verriet ihr, dass er zumindest ahnte, was in ihr vorging. Einzig die Sorge um seine Mutter, die ihm im Gesicht geschrieben stand, ließ Heather davor zurückschrecken, ihm
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