Hochzeit im Herbst
großer Beliebtheit verhalf, sondern es lag wohl vor allem an der Art, wie sie mit Menschen umging.
Deshalb war Rebecca, die scheue, ernsthafte Rebecca, damals auch so erstaunt gewesen, als Regan ihr die Freundschaft angeboten hatte. Sie konnte sich gar nicht erklären, was die umschwärmte Regan an ihr, der verschlossenen, wissensdurstigen Rebecca, fand. Wie schüchtern sie damals doch gewesen war. Und wenn sie ganz ehrlich sein wollte, musste sie sich eingestehen, dass sie auch heute noch immer sehr zurückhaltend war, trotz der Fortschritte, die sie in den vergangenen Monaten gemacht hatte. Ihre Fähigkeiten, sich auf dem gesellschaftlichen Parkett zu bewegen, waren begrenzt.
Doch was sie dazugelernt hatte, hatte sie im Grunde genommen Regan zu verdanken. Für sie war es ein großes Glück gewesen, dass die selbstsichere, lebenslustige Regan sie damals unter ihre Fittiche genommen hatte. Wer weiß, was sonst aus ihr geworden wäre.
Das würde sie Regan nie vergessen. Und deshalb gönnte Rebecca der Freundin das große Glück, das diese gefunden hatte, von ganzem Herzen.
Regan hatte einen Mann, der sie zweifellos anbetete. Jeder, der Augen im Kopf hatte, konnte sehen, wie sehr Rafe seine Frau liebte.
Was ihr eigenes Leben anbelangte, so war es mit ihrer Zufriedenheit nicht ganz so weit her. Sie fühlte sich von der Wissenschaft, ohne die sie sich bisher ihr Leben nicht hatte vorstellen können, mehr und mehr eingeengt. Das, was ihr bisher ein Zuhause gewesen war, erschien ihr in letzter Zeit immer mehr als ein Gefängnis. Obwohl es ihr einziges Zuhause war. Die Wissenschaft war etwas, zu dem sie immer Zuflucht hatte nehmen können, wenn ihr das Leben ansonsten recht schwer erschien. Und jetzt lief sie vor dem, was das Wichtigste in ihrem Leben war, davon. Vor ein paar Monaten noch hätte sie sich nicht im Traum vorstellen können, dass sie sich jemals auf eine derart vage Angelegenheit einlassen könnte. Im Grunde genommen war ihr die ganze Parapsychologie suspekt.
Doch plötzlich sehnte sie sich nach Gefühl und Leidenschaft. Sie wollte Risiken auf sich nehmen, Fehler machen, sich töricht verhalten und aufregende Dinge erleben. Es erschien ihr, als habe sie bisher in einem Vakuum gelebt, aus dem sie jetzt unter al en Umständen ausbrechen wollte.
Vielleicht lag es an den Träumen, diesen seltsamen, immer wiederkehrenden Träumen, die sie in letzter Zeit heimgesucht hatten. Doch was auch immer es sein mochte, auf jeden Fall hatte die Tatsache, dass ihre beste Freundin in Antietam lebte, einer Kleinstadt, die in die Geschichte eingegangen war und um die sich allerlei Legenden rankten, ihre Fantasie mächtig beflügelt. So mächtig, dass sie nicht hatte widerstehen können.
Und dieser Umstand gab ihr nun nicht nur die Möglichkeit, Regan einen Besuch abzustatten, sondern er bot ihr auch die Chance, tiefer einzudringen in das Gebiet, das sich seit kurzer Zeit als ihr Hobby herauskristallisiert hatte.
Sie konnte den Zeitpunkt, an dem sie begonnen hatte, sich für übersinnliche Wahrnehmungen zu interessieren, nicht genau benennen. Es war ein schleichender Prozess gewesen, den sie anfangs ignoriert und belächelt hatte. Doch immer wieder hatte sie sich dabei ertappt, dass sie hier eine Frage zu diesem Thema stellte und dort einen Artikel las.
Und dann natürlich diese Träume. Wenn sie es recht bedachte, hatte es alles bereits vor Jahren angefangen.
Irgendwann hatte sie schon damit begonnen, sie aufzuschreiben.
Schließlich war sie ja Psychiaterin, und Psychiater wussten den Wert von Träumen zu schätzen. Als Wissenschaftlerin war ihr klar, dass im Unbewussten eine große Kraft wurzelte. Sie war entschlossen, sich dieser Angelegenheit mit wissenschaftlichen Methoden zu nähern, objektiv, systematisch und präzise. Sie würde so arbeiten, wie sie es seit jeher gewohnt war.
Und nun war sie hier. War es nur Einbildung, dass sie glaubte, an ihrem Bestimmungsort angelangt zu sein? Oder war es tatsächlich so? War sie nur zufällig hier, oder war es Schicksal? Was hatte sie hierhergeführt?
Es würde sich herausstellen.
Und in der Zwischenzeit würde sie ihren Aufenthalt in vollen Zügen genießen, dazu war sie fest entschlossen. Die Zeit mit Regan, die Schönheit der Landschaft, das Gefühl, auf historischem Boden zu stehen.
Sie würde sich voller Hingabe ihrem Hobby widmen und die Geheimnisse lüften, die sich lüften ließen.
Die Sache mit Shane MacKade hatte sie gut hinbekommen. Vor kurzer Zeit noch
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