Hochzeit im Herbst
Johnnie verblutet war. Johnnie, ihr großer, schlanker, schöner Sohn, der sie nie wieder anlächeln, der sich nie wieder in der Hoffnung auf einen Leckerbissen in die Küche schleichen würde.
Sarah drängte die Verzweiflung, die sie zu überwältigen drohte, mit aller Macht zurück und zwang sich, weiter in dem Eintopf zu rühren, der auf dem Herdfeuer leise vor sich hin brodelte. Dabei versuchte sie an die achtzehn herrlichen Jahre zu denken, die sie mit Johnnie verbracht hatte. Diese wunderbaren Erinnerungen zumindest konnte ihr niemand nehmen, und das Schicksal hatte ihr zudem tröstlicherweise noch zwei wunderbare Töchter geschenkt.
Sie sorgte sich um ihren Mann. Sie wusste, dass er sich Tag und Nacht um seinen toten Sohn grämte, und die Schlacht, die nun so grausam nah vor ihre Haustür gerückt war, machte al es noch schlimmer. Das Geschützfeuer war eine ständige Erinnerung daran, welch grausamen Tribut der Krieg von ihnen gefordert hatte.
Er ist so ein guter Mann, dachte sie, während sie sich die Hände an ihrer Schürze abwischte. Ihr John war so stark und freundlich, und ihre Liebe zu ihm hatte in den zwanzig Jahren, die sie nun miteinander verheiratet waren, um nichts nachgelassen. Ebenso wenig wie seine zu ihr.
Selbst nach all den Jahren schlug auch heute noch ihr Herz schneller, wenn er ins Zimmer trat, und ihr Begehren erwachte sofort, wenn er sich ihr nachts zuwandte. Sie wusste, dass nicht allen Frauen das Schicksal so gnädig war.
Aber jetzt machte sie sich Sorgen um ihn. Seit dem Tag, an dem sie die schreckliche Nachricht erhielten, hatte er nie mehr richtig gelacht, um seine Augen hatten sich tiefe Linien eingegraben, und um seinen Mund lag ein bitterer Zug.
Johnnie war für den Süden in den Kampf gezogen, überzeugt und voller Idealismus, und sein Vater war so stolz gewesen auf ihn.
Und jetzt machte sich John Vorwürfe. Vorwürfe, dass er den Sohn nicht zurückgehalten hatte. Dann wäre er heute vielleicht noch am Leben.
Wenn sie und die Mädchen nicht wären, würde er Johnnie rächen, davon war sie überzeugt. Es erschreckte sie, dass er so sehr den Drang hatte, den Arm zu erheben und zu töten. Es war das Einzige, worüber sie niemals redeten.
Sie straffte sich und legte sich die flache Hand auf ihren schmerzenden Rücken. Es gab ihr Sicherheit, ihre Töchter beim Kartoffel- und Mohrrübenschälen plaudern zu hören. Sie wusste, dass ihnen ihr unablässiges Geplapper dabei half, das Echo des Geschützfeuers zu überhören.
Heute Morgen hatte der Kampf in einem ihrer Kornfelder getobt. So nah waren die Truppen gerückt. Sie dankte Gott, dass sie schließlich abgedreht hatten und sie nicht gezwungen gewesen war, mit ihren Kindern in den Keller zu flüchten. Und dass John in Sicherheit war. Noch einen Menschen zu verlieren, den sie liebte, hätte sie nicht ertragen.
Als John nun zur Tür hereinkam, schickte sie sich an, ihm eine Tasse Kaffee einzuschenken. Doch er sah so müde aus, dass sie die Kanne abstellte und ihn umarmte. Er roch nach Heu und Tieren und Schweiß, und seine Arme waren stark, als er ihre Umarmung erwiderte.
„Sie ziehen ab, Sarah.” Seine Lippen streiften ihre Wange. „Ich will nicht, dass du dir Sorgen machst.”
„Ich mache mir keine Sorgen.” Als er eine Braue hochzog, lächelte sie.
„Nur ein bisschen.”
Er fuhr mit den Fingerspitzen unter ihren Augen entlang, so als ob er damit die dunklen Schatten darunter fortwischen könnte. „Mehr als nur ein bisschen. Verdammter Krieg. Verdammte Yankees. Wer gibt ihnen das Recht, mein Land zu betreten? Schweinebande.” Er wandte sich um und schenkte sich Kaffee ein.
Sarah warf ihren Töchtern einen Blick zu, der sie veranlasste, aufzustehen und die Küche zu verlassen.
„Ich glaube, sie sind schon abgezogen. Der Geschützdonner verklingt langsam in der Ferne. Es kann nicht mehr lange dauern.”
Er wusste, dass sie nicht von dieser einen Schlacht sprach, die jetzt ganz hier in der Nähe geschlagen wurde. Ein Ausdruck von Bitterkeit kehrte in seine Augen zurück.
„Es wird so lange dauern, wie sie es für richtig halten. Solange es Männer gibt, die ihre Söhne in den Krieg ziehen lassen. Entschuldige mich, ich habe noch ein paar Dinge zu erledigen.” Er stellte seine Tasse ab, ohne getrunken zu haben. „Aber ich will nicht, dass du oder eins der Mädchen das Haus verlässt.”
„John.” Sie griff nach seiner schmuddeligen Hand und hielt sie einen Moment lang ganz fest. Was konnte sie sagen?
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