Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hochzeit im Herbst

Hochzeit im Herbst

Titel: Hochzeit im Herbst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
Vom Netzwerk:
wäre sie angesichts einer solchen Situation völlig überfordert gewesen. Sie hätte in Gegenwart eines Mannes, der so … männlich war wie Shane, wahrscheinlich keinen vernünftigen Satz herausgebracht, und schon allein die Angst davor, rot zu werden, hätte ihr ständig das Blut in die Wangen getrieben. Ganz zu schweigen von der Aussicht, eine nicht wissenschaftliche Unterhaltung führen zu müssen. Dass ihr das jemals gelingen könnte, hätte sie noch vor ein paar Monaten für unmöglich gehalten.
    Doch es war ihr geglückt. Sie hatte nicht nur mit ihm geredet, sondern sich sogar behauptet. Und das nicht in einer wissenschaftlichen Debatte – das wäre nichts Außergewöhnliches gewesen –, sondern rein privat. Das, was sie am meisten freute, war, dass ihr das Geplänkel mit ihm auch noch Spaß gemacht hatte. Sie, die ernsthafte Rebecca, hatte sich sogar dazu hinreißen lassen, mit ihm zu scherzen. Bis zu einem Flirt war es nur noch ein kleiner Schritt.
    Sollte sie es versuchen? Was konnte ihr schon passieren?
    Amüsiert von der Vorstellung, erhob sie sich, zog ihren Morgenmantel aus und stieg ins Bett. Zum Lesen hatte sie keine Lust mehr, und sie weigerte sich, sich schuldig zu fühlen, nur weil sie den Tag ohne intellektuelle Anregung beendete. Stattdessen krabbelte sie unter ihre Decke, schloss die Augen und genoss es, wie sich das glatte Laken an ihre Haut schmiegte. Das Daunenkissen unter ihrer Wange fühlte sich herrlich weich an, und in der Luft hing ein wunderbarer Duft, der dem Blumenstrauß auf der Frisierkommode entströmte.
    Sie nahm sich vor, ihre Sinne zu schärfen. Riechen, schmecken, tasten, fühlen, all das war ebenso wichtig wie der Verstand. Und plötzlich fiel ihr auf, wie der Wind draußen vor dem Fenster seufzte, wie die Bodendielen leise knackten, und das Geräusch, dieses leise Rascheln, wenn sie ihr Bein über das Laken bewegte, hatte sie noch niemals gehört.
    Kleinigkeiten, dachte sie und lächelte vor sich hin. Kleinigkeiten, die sie bisher nicht zu schätzen gewusst hatte. Weil sie sich nie die Zeit dafür genommen hatte. Doch die neue Rebecca Knight würde es anders machen. Ganz anders.
    Sie streckte die Hand aus und knipste die Nachttischlampe aus. Dann lag sie in der Dunkelheit und dachte an den nächsten Tag. Auf jeden Fall würde sie einen Ausflug zum Inn machen. Sie freute sich darauf, sich in dem Geisterhaus umzuschauen und Cassie MacKades Bekanntschaft zu machen. Ebenso wie die ihres Mannes Devin, Sheriff von Antietam.
    Und mit einem bisschen Glück bekam sie im Inn vielleicht ein freies Zimmer, wo sie sich mit ihren Messgeräten, Sensoren und Kameras häuslich einrichten konnte.
    Auch ihren ersten Spaziergang durch den Wald würde sie morgen unternehmen. Sie hoffte, dass ihr irgendjemand die Stelle zeigen konnte, an der die beiden Soldaten vermutlich aufeinandergetroffen waren.
    Wenn sie dann schon mal im Wald war, konnte sie auch den Weg nehmen, den ihr Regan erklärt hatte, und einen ersten Blick auf die MacKade-Farm werfen. Es interessierte sie wirklich brennend, ob sie bei ihrem Anblick dasselbe empfinden würde wie heute Nachmittag, als sie mit Shane über das Land gefahren war, das zu der Ranch gehörte.
    So vertraut, dachte sie schläfrig. Es war wirklich höchst seltsam, wie vertraut ihr die ganze Umgebung vorgekommen war. Die Bäume, die Felsen, sogar das Gluckern des Baches glaubte sie schon tausendmal gehört zu haben, so vertraut war es ihr erschienen. So seltsam vertraut.
    Doch dafür gab es eine ganz rationale Erklärung. Vor einigen Jahren hatte sie die Schlachtfelder von Antietam schon einmal besucht. Damals allerdings war alles anders gewesen. Sie erinnerte sich daran, wie sie jedes Denkmal, jede Schrifttafel genauestens studiert hatte, aber die Wälder hatten sie nicht gelockt. Sie war viel zu sehr damit beschäftigt gewesen, Daten und Fakten zu sammeln, sie zu analysieren und zu einem Artikel zusammenzufassen, als dass sie auf die Natur geachtet hätte oder auf das Rauschen eines Baches.
    Das würde sie morgen besser machen. In Zukunft würde sie überhaupt vieles besser machen.
    Und während sie noch über die möglichen Veränderungen, die diese Verbesserungen unter Umständen mit sich bringen könnten, nachgrübelte, schlief sie schließlich ein …
    Es war schrecklich, den Kriegslärm hören zu müssen. Weder die Ohren noch die Augen davor verschließen zu können, dass so viele junge Männer ihr Leben lassen mussten. Dass sie verbluteten – wie ihr

Weitere Kostenlose Bücher