Hochzeit im Herbst
machte sich vorsichtig rutschend und schlingernd auf den Weg zum Schweinestall.
Natürlich wusste er, was Sex war und wie er funktionierte. Schließlich war er auf einer Farm aufgewachsen. Er hatte oft genug gesehen, wie verrückt ein Bulle wurde und wie ihm die Augen aus dem mächtigen Schädel zu fallen drohten, wenn man ihn zur Kuh führte. Al erdings hatte ihm das nie nach sehr viel Spaß ausgesehen. Bisher. Doch jetzt bemerkte er langsam, mit welch interessanten Dingen die Mädchen ihre Blusen auszufüllen begannen …
Er wünschte, er wäre endlich erwachsen. Er wünschte, er könnte es irgendwie beweisen, dass er erwachsen war – und nicht nur damit, dass er bei jeder Rauferei mithielt. Aber im Moment schien ihm nichts anderes übrig zu bleiben, als abzuwarten, bis es so weit war. Das Wissen, dass er dann endlich sein Leben in die eigene Hand würde nehmen können, war immerhin beruhigend.
Das’Land gehörte ihm. War ein Teil von ihm, mit ihm verwachsen, solange er denken konnte. Als hätte jemand neben seiner Wiege gestanden und ihm unablässig diese Worte ins Ohr geflüstert: die Farm.
Das Land. Nur das zählte. Und falls er ein Mädchen haben wollte oder vielleicht sogar einen ganzen Harem – nun, dann würde er auch das bekommen.
Aber die Farm war das Wichtigste.
Er sah zu der schneebedeckten Bergkette im Osten hinüber, die jetzt in der aufgehenden Sonne aufflammte. Das Land und die Farm, die sein Vater bewirtschaftet hatte. Und vor ihm dessen Vater. Sie hatten Überschwemmungen und Dürren überlebt. Und den Krieg.
Shane verlor sich in seinen Gedanken, als er über das weiße Feld wanderte. Sie hatten auf diesen Feldern gesät und geerntet, selbst als sich Männer im Grau der Konföderierten und im Blau der Unierten hier auf den Feldern und in den dichten Wäldern schreiend ins Kampfgetümmel geworfen hatten.
Und auf der anderen Seite der Wälder war die Farm heil geblieben.
Er konnte es sich genau vorstellen, wie es gewesen war. Die steinige Erde mit einem Pferdepflug zu wenden, mit schmerzendem Rücken, mit von der Arbeit rauen Händen. Aber die Saat wurde ausgebracht, und als Belohnung konnte man dann alles wachsen sehen. Die Maisfelder, saftig grün, die Weiden, mit hoch stehendem, sich im Wind wie Wellen wiegendem Gras, der Weizen, der im Sommer reifte und dann aussah wie flüssiges Gold.
Selbst als die Soldaten kamen, als das Schwarzpulver das Korn versengte, konnten sie dem Land nichts anhaben. Hier waren Menschen gefallen, dachte Shane, und ein Schauer kroch über seinen Rücken.
Männer hatten hier im Todeskampf gelegen und gequält geschrien, hatten sich in ihrem eigenen Blut gewälzt, das die Erde tränkte.
Aber das Land, für das und um das sie gekämpft hatten, hatte das nicht verändert. Das Land hatte es erduldet. Es hatte überdauert.
Er merkte, wie er bei dem Gedanken verlegen wurde. Das Gefühl, das dieser Gedanke barg, war so stark, dass ihm fast schwindlig davon wurde.
Er war froh, dass er allein war, dass seine Brüder ihn nicht sehen konnten.
Er hätte ihnen nie erklären können, woher dieses sichere Wissen stammte, dass es schon immer sein Land gewesen war und dass es auch wieder sein Land werden würde.
Er wusste es einfach.
Als er das Geräusch hinter sich hörte, schulterte er wieder das Eisen und drehte sich ganz langsam um, achtsam darauf bedacht, sein Gesicht völlig ausdruckslos zu halten.
Aber da war niemand.
Er schluckte. Er war sicher, etwas gehört zu haben. Ein Geräusch, so als ob sich jemand bewegt hätte, dann ein leiser schwacher Schrei. Es war nicht das erste Mal, dass er die Geister gehört hatte. Sie lebten hier, so wie er es tat. Auf den Feldern, in den Wäldern, in den Hügeln. Trotzdem jagten sie ihm Angst ein.
Er nahm all seinen jungen Mut zusammen und ging um den Schober herum, auf das alte Räucherhaus zu. Wahrscheinlich ist es wieder nur mal Devin, beruhigte er sich, oder auch Rafe oder vielleicht sogar Jared, die ihn hochnehmen und ihm einen anständigen Schrecken einjagen wollten. Das hatten sie schon einmal mit ihm gemacht, damals, als sie die Nacht in dem alten Barlow-Haus auf der anderen Seite des Waldes verbracht hatten.
Eine Mutprobe. Denn in dem alten Haus gab es so viele Geister, wie es Spinnweben gab.
„Komm schon, Dev, lass den Blödsinn”, sagte er laut in die Stil e hinein.
Laut genug, um sich selbst Mut zu machen.
Doch als er um das Haus herumging, war keine Spur von seinen Brüdern zu sehen, auch keine
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