Hochzeit im Herbst
Kopf davon und ließ Shane, hin- und hergerissen zwischen Wunsch und Wirklichkeit, zurück.
6. KAPITEL
R ebecca saß in ihre Arbeit vertieft vor dem Computer und versuchte sich in das Leben der Barlows hineinzuversetzen – in die unglückliche Abigail, den grausamen Charles, die Kinder, die in zartem Alter die Mutter auf so tragische Weise verloren hatten. Dank Cassie hatte sich ihre Geschichte nun noch um eine zusätzliche Figur erweitert. Es handelte sich um den Mann, den Abigail geliebt und den sie weggeschickt hatte. Rebecca vermutete, dass er in Antietam während des Bürgerkriegs eine Autoritätsperson gewesen war.
Vielleicht der Sheriff. Sie hätte schon blind sein müssen, um die Parallelen, die sich damit zur Gegenwart auftaten, zu übersehen. Möglicherweise waren sie tatsächlich mehr als ein Zufall. Auf jeden Fall war sie entschlossen, den Dingen sorgfältig auf den Grund zu gehen.
Sie war so beschäftigt, dass es mehrere Minuten dauerte, ehe ihr schließlich auffiel, dass ihr Computer, an den sie auch die Sensoren angeschlossen hatte, laut brummte. Erschrocken zuckte sie zurück und starrte auf den Monitor.
Was war das denn? Sie sprang auf. Plötzlich überlief sie ein eisiger Schauder. Sie warf einen Blick auf das hochsensible Temperaturmessgerät und sah voller Bestürzung, dass die Quecksilbersäule rapide sank.
Rebecca legte wärmend die Arme um sich. Es wurde immer kälter.
Und sie spürte nichts außer dieser Kälte. Nichts. Sie hörte nichts, sie roch nichts.
Die Lady kommt nie hier rein.
Das hatte Emma ihr erzählt. Aber vielleicht kam ja der Hausherr? Es musste Charles sein. Sie hatte so viel über ihn gelesen, und wenn sie an ihn dachte, hielten sich Zorn, Angst und Erwartung die Waage.
Rebecca eilte durchs Zimmer und überprüfte sowohl den Rekorder als auch die Kameras auf ihre Funktionstüchtigkeit. Die Lämpchen, die Aufnahmebereitschaft signalisierten, blinkten, und einen kurzen Moment nahm sie noch etwas anderes wahr.
Einen Augenblick später war alles vorbei, und die Wärme strömte in den Raum zurück.
Halb von Sinnen vor Aufregung über das Erlebnis griff Rebecca sich ihr Diktiergerät.
„Das Geschehen ereignete sich um zwei Uhr acht und fünfzehn Sekunden morgens. Es begann mit einem dramatischen Temperatursturz von zweiundvierzig Grad Fahrenheit, gefolgt von einem leider nicht messbaren Energieschub, dem der umgehende Temperaturanstieg auf normale Zimmertemperatur folgte. Das Geschehen endete um zwei Uhr neun und zwanzig Sekunden morgens. Dauer fünfundsechzig Sekunden.”
Sie stand einen Moment mit dem Diktiergerät in der Hand reglos da und versuchte mit aller Kraft, das Geschehen mit Gedanken noch einmal herbeizuzwingen. Sie war überzeugt davon, dass es Charles gewesen war, sie hatte es ganz deutlich gespürt. Ihr Puls spielte noch immer verrückt. Sie überlegte, wie hoch ihr Blutdruck im Moment wohl sein mochte.
„Los, mach schon, du Feigling! Zeig dich. Ich weiß doch genau, dass du da bist. Komm heraus aus deinem Versteck!”
Du steigerst dich zu sehr in die Sache hinein, warnte sie sich. Sie war dabei, ihre Objektivität zu verlieren, und sie wusste, dass ohne Objektivität jede wissenschaftliche Untersuchung zum Scheitern verurteilt war.
Deshalb zwang sie sich jetzt, sich hinzusetzen, den Blick auf ihre Geräte geheftet, die sie für die nächsten dreißig Minuten nicht aus den Augen lassen wollte. Doch nichts geschah. Bevor sie ihren Computer ausschaltete, machte sie sich gewissenhaft an ihre Aufzeichnungen.
Zu aufgewühlt, um an Schlaf überhaupt nur zu denken, verließ sie ihr Zimmer. Im Flur blieb sie lauschend stehen, doch um sie herum waren nur Dunkelheit und Stil e.
Als sie die Treppe nach unten ging, blieb sie auf halber Höhe, da, wo der Soldat erschossen worden war, stehen und dachte an den unglücklichen jungen Mann, der verletzt ins Haus gekommen war, und die entsetzte Abigail, an die verängstigten Sklaven und den kaltblütigen Schurken Charles Barlow.
Doch die Gestalten weigerten sich, zum Leben zu erwachen. Sie waren und blieben nichts als Gedanken.
Sie gab sich in jedem Raum, durch den sie ging, alle erdenkliche Mühe, ihre übersinnlichen Wahrnehmungskräfte herauszufordern, doch ohne Erfolg. Die Erfahrungen, die Cassie, Regan, Rafe und Devin MacKade hier gemacht hatten, blieben ihr verschlossen, sosehr sie sich auch um Zugang bemühte.
Gegen ihre Entmutigung ankämpfend, schlug sie schließlich den Weg zur Küche ein. Ein Erlebnis
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