Hochzeit im Herbst
beobachtete einen gelben Schmetterling, der sich gerade auf einer Kornblume niederließ. Eine Lerche sang ihr Lied. Die Strahlen der Sonne erwärmten ihre Haut, aber innerlich war ihr eiskalt.
Was hätten wir anderes tun sollen?, fragte eine Stimme in ihr, und sie verspürte eine tiefe Trauer, die nicht ihre eigene war und doch verblüffend real.
Sie öffnete ihre Hand und ließ die Blumen neben ihre Füße ins Gras fallen. Tränen schössen ihr in die Augen, und sie begann zu zittern. So vorsichtig wie ein Soldat im Minenfeld zog sie sich zurück.
Was hätte wer tun sollen?, fragte sie sich verstört. Woher war die Frage gekommen, und was hatte sie zu bedeuten? Dann wandte sie sich um, holte tief Atem und ließ die Wiese hinter sich.
Einen Moment später waren diese seltsamen Gefühle, die sie eben noch empfunden hatte, verblasst. So verblasst, dass sie sich schon zu fragen begann, ob sie geträumt hatte.
Rebecca schob die Hände in ihre Taschen und ging an dem Weg vorbei, der zum Inn zurückführte. Sie hatte ihren Spaziergang noch nicht beendet, und wenn sie noch mehr Blumen pflücken wollte, würde sie auch das tun. Beim nächsten Mal würde sie ihre Schuhe ausziehen und barfuß über die Wiese laufen.
Plötzlich sah sie die Kühe, die sich unter einem Dach drängten, das an den Milchschober angrenzte. Gehören Kühe nicht auf die Wiese?, fragte sie sich erstaunt.
Neugierig trat sie näher, achtete jedoch sorgfältig darauf, den nötigen Abstand zu wahren, da sie sich nicht sicher war, ob ihr die Kühe tatsächlich so freundlich gesinnt waren, wie es auf den ersten Blick den Anschein hatte. Doch da sie sich nicht im Mindesten für sie zu interessieren schienen, wagte sie sich noch etwas näher heran. Da hörte sie ihn singen.
Was für eine schöne Stimme er hatte.
Rebecca zögerte nur einen kurzen Moment, dann ging sie entschlossen auf die Stalltür zu.
Wie auch immer sie sich einen modernen Stall vorgestellt haben mochte, so jedenfalls nicht. Die dicken, metallisch glänzenden Rohre und das gleichmäßige Brummen einer Maschine erinnerten viel eher an eine Fabrik.
Mindestens ein Dutzend Kühe stand in den Boxen. Sie rauften große Heubüschel aus ihren Futterkrippen, um sie anschließend genüsslich zu verspeisen.
Und Shane ging singend und pfeifend zwischen ihnen hin und her und überprüfte, wie weit der elektrische Melkvorgang vorangeschritten war.
„Okay, Mädel, das war’s.”
Fasziniert kam Rebecca näher. „Wie funktioniert das denn?”
Er stieß einen Fluch aus und wirbelte herum, wobei er der Kuh aus Versehen den El bogen so hart in die Flanke rammte, dass diese empört aufmuhte. Der Blick, mit dem er Rebecca bedachte, war kein freundlicher Wil kommensgruß.
„Entschuldige. Ich wollte mich nicht anschleichen. Es ist so laut hier.” Sie lächelte und zwang sich, nicht zurückzuweichen. „Ich habe einen Spaziergang gemacht, und dann sah ich die Kühe draußen vor dem Stall und habe mich gefragt, was hier los ist, weil ich sie eigentlich auf der Weide vermutete.”
„Dasselbe wie jeden Tag morgens und abends.” Mittlerweile hatte er sich wieder gefangen. Er hatte ihr eigentlich die nächsten paar Tage aus dem Weg gehen wollen, aber jetzt war sie hier und bildhübsch anzusehen.
„Aber wie schaffst du das denn alles allein? Es sind doch so viele Kühe.”
„Ich mache es nicht immer allein. Und im Übrigen geht ja alles automatisch oder zumindest doch das meiste.” Er nahm die Pumpe von einem Euter.
„Wo läuft die Milch denn jetzt hin?”, erkundigte sich Rebecca interessiert. „Durch diese Rohre, nehme ich an.”
„Ganz recht.” Er unterdrückte einen Seufzer. Hoffentlich erwartete sie jetzt nicht, dass er ihr eine Lehrstunde im Melken erteilte. Dazu hatte er nämlich nicht die geringste Lust. Viel lieber hätte er sie geküsst, und zwar auf der Stelle.
„Von der Kuh in die Leitung und von der Leitung in die Tanks im Milchhaus”, erklärte er lahm und machte eine vage Handbewegung. „Dort wird die Milch kühl aufbewahrt, bis ein Tanklastwagen kommt und sie abholt. Ich muss aber diese Mädels hier jetzt in den Faulenzerstall bringen.”
„Faulenzerstall?”
Jetzt lächelte er. „Dort faulenzen sie vorher und nachher.”
Als er die Kühe an ihr vorbei hinausführte, trat Rebecca einen Schritt zurück, vielleicht einen etwas größeren, als nötig gewesen wäre. Sie fragte sich, wie er es schaffte, sie so in Reih und Glied zu halten. Nachdem er sie an Ort und Stelle
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