Hochzeit im Herbst
bleiben.
„Es tut mir leid, aber es ist nun mal so.” Woher kam diese kalte, sarkastische Stimme? „Ich möchte nicht unterrichten, Mutter.”
„Es geht doch überhaupt nicht ums Unterrichten, Rebecca, das weißt du ebenso gut wie ich. Es geht um die Position, die du dann bekleidest …”
„Ich will aber nicht.” Mit Erschrecken registrierte sie, dass sie ihre Mutter eben unterbrochen hatte. „Aber trotzdem vielen Dank, dass du an mich gedacht hast.”
„Ich bin nicht besonders glücklich über dein Benehmen, Rebecca. Du hast die Verpflichtung, das, was du von Haus aus mitbekommen hast, auch voll zu nutzen, denk daran. Und ein Angebot wie dieses kann deiner Karriere nur förderlich sein.”
„Wessen Karriere?”
Ihre Mutter seufzte. Lang anhaltend und leidend. „Offensichtlich bist du im Moment nicht in allerbester Verfassung. Vielleicht sollten wir deshalb unser Gespräch jetzt beenden. Aber ich setze auf dich und deinen Willen zum Erfolg. Sei so gut und gib mir so schnell wie möglich deine Faxnummer durch. Ich bin im Augenblick etwas in Eile, aber ich erwarte spätestens morgen von dir zu hören. Auf Wiedersehen, Rebecca.”
„Auf Wiedersehen, Mutter.”
Nachdem sie aufgelegt hatte, strahlte sie Shane an. „Na, hast du die Kühe schon ins Bett gebracht?”
„Setz dich wieder hin, Rebecca.”
„Ich sterbe vor Hunger.” Weil sie Angst hatte vor seiner Berührung, machte sie, dass sie so schnell wie möglich von ihm wegkam, und ging zum Kühlschrank. „Wenn mich nicht alles täuscht, muss hier doch noch irgendwo der Schokoladenkuchen sein, den eine deiner Haremsdamen kürzlich vorbeigebracht hat.”
„Rebecca.” Seine Stimme war ruhig, doch seine Augen verrieten Besorgnis. Sie presst die Hand auf ihren Magen, als ob sie Schmerzen hätte, dachte er. „Ich finde, du solltest dich jetzt erst mal wieder hinsetzen.”
„Ich kann Kaffee machen. Mittlerweile hab ich kapiert, wie dieses Ding funktioniert.” Sie griff nach der Kanne, doch Shane kam zu ihr und legte ihr die Hände auf die Schultern. „Was ist los?” Sie zuckte zurück.
Vorsicht, ermahnte er sich, alarmiert durch den Ausdruck, der in ihren Augen lag. Sie schien am Ende zu sein. „Aus Connecticut kommst du also.”
Sie zögerte einen Moment, dann zuckte sie die Schultern. „Meine Eltern leben dort.”
„Und du bist dort aufgewachsen?”
„Nicht direkt. Ich war nur in den Schulferien dort. Sonst war ich immer im Internat. Den Kaffee kann man nicht mehr trinken”, fügte sie mit einem Blick auf die Kanne unvermittelt hinzu. „Er steht schon seit Stunden auf der Wärmplatte. Ich habe doch gesagt, dass ich frischen mache.”
„Was war es denn, das dich so aufgeregt hat, Baby? Was hat deine Mutter denn gesagt?”
„Nichts. Gar nichts.” Sie wollte sich aus seinem Griff herauswinden, doch er ließ sie nicht los. In seinen Augen lag ein Ausdruck von Geduld und Besorgnis. „Sie wollte mir an ihrer Universität eine Stelle zuschanzen, aber ich bin nicht interessiert. Wir hatten eine kleine Meinungsverschiedenheit. Sie ist nicht daran gewöhnt, dass ich eine eigene Meinung habe.”
Im Grunde genommen ganz simpel, dachte er. Zumindest hätte es ganz simpel sein können. Doch an ihrer Reaktion war nichts simpel. Er fand sie vielmehr besorgniserregend. „Du hast Nein gesagt.”
„Ja, das habe ich. Aber das interessiert niemanden. Das hat es niemals getan – was ich möchte, zählt nicht. Zumindest habe ich diese Erfahrung bei den seltenen Gelegenheiten gemacht, bei denen ich den Mut aufgebracht habe, Nein zu sagen. Vermutlich wird es nicht lange dauern, bis mein Vater anruft, um mich an meine Verpflichtungen und Verantwortlichkeiten zu erinnern.”
„Wem bist du denn verpflichtet?”
„Ihnen, meiner Erziehung, meiner Herkunft. Mir wurde immer eingetrichtert, dass ich die Verpflichtung habe, meine Fähigkeiten zu nutzen. Ach komm, lass uns über etwas anderes reden.”
Da er den Eindruck hatte, dass sie Bewegungsfreiheit brauchte, ließ er sie los. Ihre Hände zitterten nicht, als sie den Kaffee abmaß, und ihre Miene war undurchdringlich, während sie die Kanne mit Wasser voll laufen ließ.
Doch dann erschauerte sie. „Ich kann es noch gar nicht fassen, dass ich mich tatsächlich widersetzt habe. Weil ich das nie konnte, hatte ich schon als Kind Magengeschwüre.”
„Wovon, zum Teufel, sprichst du?”
„Von Magengeschwüren, Migräne, Schlaflosigkeit und einem Nervenzusammenbruch. Wahrscheinlich ist das der
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