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Hochzeit im Herbst

Hochzeit im Herbst

Titel: Hochzeit im Herbst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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Grund, weshalb ich Psychiaterin geworden bin.”
    Sie sprach offensichtlich nicht zu ihm, deshalb erwiderte Shane nichts.
    „Es ist immer viel leichter, einen anderen zu analysieren als sich selbst.”
    Sie fuhr sich mit beiden Händen durchs Haar. „Diesmal werde ich mich nicht wieder unterordnen. Ich denke überhaupt nicht daran. Diesmal lasse ich mir nichts mehr vorschreiben. Ich werde nur das tun, was mir mein Gefühl rät. Zur Hölle mit ihnen. Zur Hölle mit dem ganzen Kram, der mich zum seelischen Krüppel gemacht hat.”
    Sie wirbelte herum. Jetzt war ihre Miene nicht mehr undurchdringlich, sondern wütend. Rebecca war so wütend, wie er sie noch nie erlebt hatte.
    „Kannst du dir eigentlich vorstellen, wie es ist, wenn man vier Jahre alt ist und von einem erwartet wird, dass man Dante auf Italienisch liest? Wie es ist, mit durchgedrücktem Kreuz am Abendbrottisch zu sitzen und chemische Formeln abgefragt zu werden oder über die Renaissance zu diskutieren, auf Französisch natürlich?”
    „Nein”, sagte er ruhig. „Warum sagst du mir nicht, wie es ist?”
    „Schrecklich ist es. Ganz, ganz schrecklich. Die Hölle. Es ist ein Horror, von den eigenen Eltern als ein Gegenstand betrachtet zu werden, der dazu bestimmt ist, irgendwann einmal – je eher, desto besser selbstverständlich – den erwarteten Gewinn abzuwerfen.
    Solange du ein Kind bist, kannst du dich gegen dieses Ansinnen nicht zur Wehr setzen, denn du hast ja gelernt zu gehorchen. Doch wenn du älter wirst und in den Spiegel schaust, erstarrst du vor Schreck, was für ein armseliges Wesen dir da entgegenblickt. Und dann fragst du dich, ob dieses Leben eigentlich lebenswert ist.”
    „Rebecca.” Sein Zorn verwandelte sich in echtes Entsetzen.
    Ungeduldig schüttelte sie den Kopf. „Du fängst an, es dir auszumalen, immer wieder, vollkommen besessen. Und weil du weißt, dass du clever bist, bist du dir verdammt sicher, dass du den effektivsten, schmerzlosesten Weg finden wirst, dich aus dem Leben davonzuschleichen. Und den saubersten natürlich.”
    Er brachte kein Wort heraus. Entsetzen war ein viel zu schwaches Wort für das, was er empfand. Diese Frau, diese wunderbare Frau, hatte es in Erwägung gezogen, ihrem Leben ein Ende zu machen.
    Sie rieb sich gedankenverloren die Schläfen, hinter denen plötzlich Kopfschmerzen tobten. „Aber du bist zu intelligent und zu gut programmiert, um den letzten Schritt zu tun. Du sagst dir, dass du es immer noch tun kannst, wenn al e Stricke reißen, und entscheidest dich stattdessen – weil du ein praktischer Mensch bist –, die menschlichen Verhaltensweisen zu studieren, und endest als Psychiater.”
    „Wie alt warst du damals?”, brachte er mühsam heraus. „Wie alt warst du, als …”
    „Als ich begonnen habe, über die wirksamste Methode, Selbstmord zu verüben, nachzudenken, meinst du?” Ihre Stimme klang ruhig. „Zwölf. Ein gefährliches Alter. Sicher kannst du dich noch daran erinnern, wie empfindsam ein Kind in diesem Alter ist. Aber es ist immer noch leichter, einfach auf der Schiene, auf die man deinen Zug gesetzt hat, weiterzukommen, als Schluss zu machen. Du stolperst von Auszeichnung zu Auszeichnung, bis dir schließlich irgendwann auffällt, dass es nur eine andere Form von Selbstmord ist.”
    Sie holte tief und zittrig Atem. „Ich bin müde”, sagte sie und fuhr sich mit der Hand übers Gesicht. „Sie haben mich so müde gemacht.”
    Magengeschwüre, ein Nervenzusammenbruch. Meine Güte, Selbstmordgedanken sogar. Was hatten diese Eltern an ihrem Kind verbrochen? Er hätte sie am liebsten in Stücke gerissen.
    „Komm her.” Shane streckte die Hände nach ihr aus und zog sie an sich.
    Er sehnte sich danach, sie ganz fest zu halten. „Ruh dich ein bisschen bei mir aus.”
    „Es geht schon wieder.”
    „Das stimmt nicht. Aber es wird nicht mehr lange dauern, bis es so weit ist.” Dafür würde er sorgen. „Halt dich an mir fest, Baby.”
    Das tat sie dann auch, und sie war erstaunt, wie leicht es ihr fiel.
    Er rieb seine Wange an ihrem Haar. Sie fühlte sich so zerbrechlich an.
    Warum hatte er das vorher nie bemerkt? „Es tut mir so leid, Baby”, flüsterte er.
    „Es ist vorbei. Jetzt können sie mir nichts mehr tun. Ich bin erwachsen und fälle endlich meine eigenen Entscheidungen. Ich werde versuchen, in Zukunft alles besser zu machen.”
    „Du machst es schon sehr gut.”
    „Ich will es noch besser machen.” Sie wich ein Stück zurück.
    „Entschuldige. Wenn

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