Hochzeit im Herrenhaus
plant.”
“Konzentrieren wir uns erst einmal auf seine Beweggründe”, schlug Annis vor. “Wenn wir Glück haben, werden uns solche Überlegungen auf die Spur des Missetäters führen.”
Seite an Seite kehrten sie in den Stallhof zurück. Dort begegneten sie einer sichtlich nervösen Louise und beendeten die Diskussion über das Problem. Nach langem Zögern hatte sich die junge Dame zu dem Entschluss durchgerungen, wieder in den Sattel zu steigen. Zweifellos würde sie sich sofort anders besinnen, wenn sie herausfand, Annis’ Gefangenschaft im Eiskeller wäre kein Zufall gewesen. Immerhin musste man befürchten, eine Person mit abartigem Humor würde irgendwo auf der Lauer liegen, um arglose Opfer zu überfallen.
Allzu begeistert war der Viscount nicht, als Annis verkündete, sie würde Louise bei deren erstem Ausritt nach so langer Zeit Gesellschaft leisten. Aber da sie die Tortur des Vortags gut überstanden hatte und Wilks die beiden Damen begleiten würde, erhob Deverel keine Einwände.
Und so sorgte er nur dafür, dass die neue Hausbewohnerin, die im Hof umhertollte, dem kleinen Reitertrupp nicht nachrannte. Er nahm Rosie an die Leine, und sie folgte ihm erstaunlich bereitwillig ins Haus, wo er sie sogar in sein Refugium mitnahm.
In der Bibliothek angekommen, erforschte die Hündin erst einmal die unbekannte Umgebung und schnüffelte in allen Ecken, bevor sie sich auf der Matte vor dem Kamin niederließ. Dort hätte sie glücklich und zufrieden die Rückkehr ihrer Herrin abgewartet, wäre Dunster nicht mit der Meldung erschienen, Mr. und Miss Fanhope seien eingetroffen.
Beinahe wäre der Viscount versucht gewesen, die unerwarteten Gäste der Fürsorge seiner Schwester zu überlassen. Aber dann entschied er, das könnten die beiden unhöflich finden. Und so rief er Rosie zu sich – erstaunlicherweise gehorchte sie sofort – und ging mit ihr in den Salon. “Du meine Güte, Fanhope, drei Besuche so kurz nacheinander! Offenbar müssen wir uns geehrt fühlen.”
“Oh, das war
meine
Idee”, erklärte Caroline hastig. “Mama hat ein großartiges Rezept für ein Lammragout erhalten. Und da dachte ich, Sarah würde sich für eine Abschrift interessieren.” Argwöhnisch inspizierte sie das fremde vierbeinige Geschöpf, das ihren Bruder unfreundlich angeknurrt hatte und jetzt viel zu aufdringlich an ihren Röcken schnupperte. “Eigentlich nahm ich an, du magst keine Hunde, Deverel, und würdest sie nicht im Haus dulden.”
“Keine Ahnung, wieso die Leute zu dieser völlig falschen Vermutung kommen”, log er aalglatt, denn er wusste sehr gut, warum zumindest Caroline das glaubte. Er hatte sich nie bemüht, sein Missfallen über Lady Fanhopes übergewichtigen, verhätschelten Mops zu verbergen, der stets im bequemsten Sessel des Salons döste. “Natürlich würde ich meine beiden irischen Wolfshunde nicht im Haus herumlaufen lassen. Aber dieses kleine Mädchen wird keinen Schaden anrichten.”
Inzwischen hatte sich Sarah hinzugesellt. “
Ich
bin es, die Papas Abneigung gegen Hunde geerbt hat. Nicht Deverel. Trotzdem habe ich nichts gegen Rosies Anwesenheit einzuwenden. Sie gehört übrigens nicht uns, sondern Miss Milbank.”
“Wird uns die junge Dame heute nicht die Ehre geben?”, fragte Charles Fanhope. “Ich hoffe, sie ist nicht indisponiert?”
Forschend schaute Greythorpe ihn an. Bildete er sich das nur ein – oder schwang eine gewisse Genugtuung in der Stimme seines Besuchers mit? “Keine Bange, Fanhope, es geht ihr ganz ausgezeichnet. Sie reitet gerade mit Miss Marshal aus.”
“Was für wundervolle Neuigkeiten!”, rief Caroline. “Wie ich mich freue, dass sie meinen Rat endlich befolgt hat und wieder in den Sattel gestiegen ist! Sonst würde sie ihre törichte Angst vor Pferden niemals überwinden.”
Nur mühsam unterdrückte der Viscount ein sarkastisches Lächeln. Caroline meinte es zweifellos gut. Aber wenn sie annahm, sie hätte Louises Entschluss in irgendeiner Weise beeinflusst, dann täuschte sie sich ganz gewaltig. Für diesen Sinneswandel war ganz jemand anders verantwortlich.
Nachdem er die Pflichten eines Gastgebers erfüllt und für Erfrischungen gesorgt hatte, sank er in einen Sessel und beobachtete die Besucher über den Rand seines Glases hinweg. Vor allem Caroline … Er hatte sie stets bewundert. Schon als Kind war sie sehr hübsch gewesen, und im Lauf der Jahre hatte sie nichts von ihrer Schönheit eingebüßt. Es mangelte ihr auch nicht an Intelligenz.
Weitere Kostenlose Bücher