Hochzeit im Herrenhaus
auch auf
deine
Gesellschaft verzichten, Charles. Geh in dein Zimmer und denk über deine Zukunft nach. Später erwarte ich dich in der Bibliothek – wenn ich die Pflichten als Gastgeber erfüllt und den letzten Besucher hinausbegleitet habe.”
Schließlich bat er den Viscount, dafür zu sorgen, dass die Ordnung wiederhergestellt wurde.
“Würdest du mir einen weiteren Gefallen erwiesen?”, fügte er hinzu. “Versichere jedem, der heute Abend am Spieltisch meines Sohnes Verluste erlitten hat, dass er von mir eine Entschädigung erhält.”
“Natürlich”, stimmte Deverel zu, “verlass dich doch auf mich.”
In diesem Moment betrat Sarah den Spielsalon und teilte ihm mit, sie könne unmöglich noch länger bleiben. Das verstand er, denn sie wusste, wie sehr sie skandalöse Szenen hasste. Fast alle Gäste bekundeten lauthals ihre Empörung über Charles Fanhopes betrügerische Machenschaften. Das wollte sich seine Schwester nicht länger anhören. Noch wichtiger erschien es ihm jedoch, die junge Frau, die das blamable Ereignis heraufbeschworen hatte, aus dem Mittelpunkt allgemeiner Aufmerksamkeit zu entfernen.
Seit Annis den Schurken entlarvt hatte, saß sie schweigend am Tisch, ohne ihre Perlen anzurühren. Was sie getan hatte, schien sie nicht zu bereuen. Aber offensichtlich bereitete es ihr auch keine Genugtuung. Bedrückt starrte sie vor sich hin. Vorerst konnte er sie weder trösten noch seiner bedingungslosen Unterstützung versichern und sie nur vor den neugierigen Fragen schützen, die zweifellos bald auf sie einstürmen würden. Und so bat er Tom Marshal, die Damen nach Hause zu bringen. Sie machten sich rasch auf den Weg.
Erst nach Mitternacht erreichte der Viscount auf einem von Lord Fanhope geliehenen Pferd seinen Landsitz. Trotz der späten Stunde wurde er von Dunster erwartet, der gerade die Kerzen in der Halle löschte und ihm mitteilte, Mr. Marshal würde in der Bibliothek warten.
Erstaunt ging Deverel in sein Refugium und traf seinen jungen Vetter in einem der bequemen Sessel an. Ein halb leeres Glas in der Hand, starrte Tom nachdenklich in den Kamin, wo nur mehr rötliche Asche schwelte.
Da der liebenswerte junge Mann ihm sonst nie Gesellschaft leistete, wenn sich die Damen am Abend zurückgezogen hatten, vermutete der Viscount, es müsse einen besonderen Grund für diese Abweichung von der Routine geben. Nach den Ereignissen der letzten Stunden fühlte er sich erschöpft, und eine nächtliche Diskussion war das Letzte, was er sich wünschte. Aber es wäre zu unfreundlich gewesen, Tom wegzuschicken. Stattdessen würde er einen Schlummertrunk mit ihm teilen.
“Bleib nur sitzen.” Abwehrend hob er eine Hand, als sein Vetter aufstehen wollte. “Trink dein Glas leer, ich schenke dir noch etwas ein.”
Nachdem er zwei Schwenker mit edlem Brandy gefüllt hatte, nahm er in einem Sessel auf der anderen Seite des Kamins Platz. Geduldig wartete er, während Tom nach Worten suchte.
Erst nach einem längeren Schweigen begann der junge Mann zu sprechen. “Hoffentlich glaubst du nicht, ich wäre zu weit gegangen, als ich Fanhope am Kragen packte. Um zu erklären, warum ich so schrecklich wütend war – ich glaube, auch ich war ein Opfer seiner Betrügereien.”
“Das dachte ich mir bereits.”
“Keine Ahnung, wie ich jetzt vorgehen soll … Ich fühlte mich verpflichtet, meine Spielschulden bei Fanhope zu begleichen. Dazu hatte ich auch die Möglichkeit. Aber nach allem, was ich an diesem Abend herausfand, sehe ich mich wirklich nicht mehr dazu gezwungen. Dieser niederträchtige Betrüger verdient keine Rücksicht.”
“Allerdings nicht.” Der Viscount zog eine der Karten, die er in Lord Fanhopes Spielsalon vom Boden aufgehoben hatte, aus der Tasche und inspizierte sie, bevor er sie wieder einsteckte. “Vermutlich betreibt er diese Gaunereien schon sehr lange und hat unzählige Leute hintergangen. Lord Fanhope möchte sie entschädigen, soweit es möglich ist. Aber ich fürchte, sämtliche Opfer seines Sohnes lassen sich nicht ermitteln.”
“Du gehörst sicher nicht zu ihnen, oder?”
“Nein. Mit mir spielte er nur sehr selten. Und er hat es nie gewagt, mich zu beschwindeln.”
“Warum hast du mich aufgefordert, die Ereignisse an seinem Spieltisch zu beobachten?” Verwirrt runzelte Tom die Stirn. “Offenbar hast du einen Verdacht geschöpft.”
Ein sanftes Lächeln umspielte Deverels Lippen. “Das tat ich, weil ich mir sicher war, dass Miss Milbank irgendetwas geahnt hat.
Weitere Kostenlose Bücher