Hochzeit in Hardingsholm
zugeben. Er hörte in Eriks Stimme, wie sehr sich sein Bruder wünschte, dass er blieb, aber Lars würde ihn enttäuschen müssen, auch wenn er ihm das jetzt nicht sagen würde.
Gleich nach der Hochzeit würde er gehen. Diesmal für immer! Es gab so viele Orte auf der Welt, die er noch nicht gesehen hatte. Er forschte nach dem Gefühl, das ihn damals weggetrieben hatte. Dieses Locken, die Neugier, die Abenteuerlust.
Doch da war nichts in ihm, nur tiefe Leere.
»Keine Ahnung!«, sagte er so gelassen wie möglich.
– 18 –
D as Zimmer, das Erik ihr für die Nacht gegeben hatte, war nicht besonders groß, aber gemütlich. Es gab noch ein weiteres Gästezimmer im Erdgeschoss, und Lars hatte sich sofort bereit erklärt, es ihr zu überlassen, weil es um einiges größer und schöner war, aber davon hatte Hellen nichts wissen wollen.
»Ich bin nur eine Nacht hier«, hatte sie gesagt und damit vorausgesetzt, dass der verschollene Bruder länger blieb.
Es war ein seltsamer Blick gewesen, den Lars ihr daraufhin zugeworfen hatte. Sie hatte das Gefühl, dass Lars überhaupt nicht die Absicht hegte, länger zu bleiben, und sie rechnete damit, dass er sie heute oder spätestens morgen erneut fragen würde, ob sie ihn mitnahm.
Von ihrem Fenster aus konnte sie die Wiese sehen, auf der später der Polterabend und morgen die Hochzeitsfeier stattfinden sollte. Auf den langen Tischen zwischen den Bäumen wurde ein Büfett aufgebaut.
Ein leichter Wind war aufgekommen und ließ die weißen Decken auf den Tischen flattern. Die gefüllten Blumenvasen mit den bunten Wiesenblumen verhinderten, dass sie von den Tischen geweht wurden.
Hellen bemerkte, dass so mancher seinen Blick ängstlich in den Himmel richtete, aber das Wetter schien sich zu halten. Weit draußen über dem Wasser war eine dunkle Wolkenwand zu sehen, die aber vorbeizuziehen schien. Sie beobachtete die beiden Männer, die langsam am Ufer des Fjords entlangschlenderten. Auch wenn sie die Gesichter der beiden aus der Entfernung nicht erkennen konnte, war sie sicher, dass es Erik und Lars Torberg waren.
Was war los mit den beiden Brüdern? Sie schienen sich gut zu verstehen, und trotzdem hatte bei der Begrüßung eine Spannung in der Luft gelegen, die Hellen als sehr unangenehm empfunden hatte.
Hellen setzte sich mit einem tiefen Seufzer auf das schmale Bett, das an der Längswand stand. »Wo bin ich hier nur hineingeraten?«, sagte sie leise.
Heute Morgen, als Lara sie in Nyköping abgeholt hatte, war ihre Welt noch in Ordnung gewesen. Und dann? Sie war einem Mann begegnet, der sie vom ersten Augenblick an fasziniert hatte. Gleich zwei Mal an einem Tag hatten sich ihre Wege gekreuzt, und nun würde sie sogar die Nacht in seinem Haus verbringen. Im Haus eines Mannes, der morgen eine andere Frau heiraten würde.
Sie hatte dessen Bruder kennengelernt, der nach vielen Jahren im Ausland just am Tag der Hochzeit seines Bruders auftauchte. Und der sie gebeten hatte, ihn mitzunehmen, fort von hier, obwohl er offensichtlich gerade erst angekommen war und seinen Bruder noch gar nicht gesehen hatte.
Ein Klopfen an der Tür unterbrach ihre Gedanken.
»Ja, bitte«, sagte Hellen und erhob sich.
Linn betrat das Zimmer und lächelte sie freundlich an. »Erik hat mir erzählt, dass Sie über Nacht bleiben.«
Hellen freute sich über den Besuch. »Wegen des Wetters«, sagte sie. »Es tut mir leid, ich will wirklich keine Umstände machen. Wenn ich mir den Himmel so angucke, kann ich vielleicht später doch noch abfliegen.«
»Kommt überhaupt nicht in Frage«, sagte Linn. »Sie machen keine Umstände. Wir freuen uns, dass Sie da sind, immerhin haben Sie die Hochzeit gerettet! Ich wollte Sie nur fragen, ob Sie sich eines meiner Kleider ausleihen wollen und vielleicht noch etwas für die Nacht. Sie haben ja kein Gepäck dabei.«
Hellen war gerührt. Wie nett und freundlich Linn doch war. Was immer sie in den letzten Stunden zwischen Erik und sich gespürt hatte, war vermutlich sowieso nur einseitig. Wie könnte es auch anders sein: Jeder Mann musste eine Frau wie Linn einfach lieben. Außerdem war sie genau der Typ Frau, den andere Frauen nicht als Rivalin sahen, sondern sich als Freundin wünschten.
»Sie sind sehr nett«, sagte Hellen.
»Quatsch!« Linn lachte und griff nach ihrer Hand. »Ich freue mich, dass Sie hier sind. Wir werden bestimmt viel Spaß haben, während wir etwas Passendes zum Anziehen für Sie heraussuchen.«
Hellen ließ sich von der Freude der jungen
Weitere Kostenlose Bücher