Hochzeit in Hardingsholm
Gespräch nahm, ganz und gar nicht. Sie räusperte sich und zog damit die Aufmerksamkeit beider Männer auf sich.
»Entschuldigung«, sagte Erik jetzt, »ich bin so überrascht, dass ich alles andere darüber vergessen habe.« Er lächelte ihr zu. »Also, das ist Hellen Reslow«, wandte er sich an Lars, »und das«, er deutete auf den Mann, »ist mein Bruder Lars. Er hat die vergangenen Jahre im Ausland gelebt.«
»Ach so«, sagte Hellen irritiert. Erik Torberg hatte also einen Bruder, aber warum lag dann diese unterschwellige Spannung zwischen den beiden in der Luft, gerade bei der doch offenbar überraschenden Rückkehr? Und wo war Lars überhaupt gewesen?
»Wo genau waren Sie?«, fragte sie ihn.
»Mal hier, mal dort«, erwiderte er lächelnd, und mit dieser Antwort schien sich sein ganzer Körper zu entspannen. Er wirkte ruhig und gelassen, und seine Stimme bekam einen warmen Klang. Er betrachtete sie einen Moment neugierig und wandte sich dann an seinen Bruder. »Sag mal, hast du noch Platz für zwei Übernachtungsgäste?«
Erik lachte. »Ja sicher. Herzlich Willkommen!« Er zögerte kurz. »Aber warum denn zwei Gäste?« Er wandte sich an Hellen: »Wollen Sie doch noch bleiben?«
Hellen spürte seinen Blick auf sich und hatte das dringende Bedürfnis, sich zu rechtfertigen. Er musste doch auch wissen, dass es besser war, wenn sie nicht blieb. Oder empfand er gar nicht so wie sie?
»Ja, ich kann noch nicht weg. Über Norrtälje tobt ein Gewitter in Richtung Hardingsholm.« Klang es nicht auch wie eine Rechtfertigung, weil sie sich immer noch an einem Ort befand, an dem sie eigentlich schon längst nicht mehr sein wollte? Weil in ihr das Gefühl wuchs, dass dadurch alles noch schwieriger wurde?
»Ein Unwetter auf dem Weg nach Hardingsholm?« Erik runzelte die Stirn. »Hoffentlich tobt es sich nicht ausgerechnet morgen über uns aus.«
»Bis morgen ist bestimmt alles vorbei«, sagte Hellen und wusste nicht, wen sie damit in erster Linie beruhigen wollte. Sich selbst oder Erik?
Die Vorstellung, noch länger auf Hardingsholm bleiben zu müssen … Nein, daran wollte sie erst gar nicht denken.
»Kein Wort zu Linn«, bat Erik, »sie ist nach der Sache mit dem Hochzeitskleid nervös genug.« Er schaute zum tiefblauen Himmel, an dem immer noch keine Wolke zu sehen war. »Können wir es riskieren, den Polterabend draußen zu feiern, oder sollen wir ihn gleich ins Haus verlegen?«
Hellen wusste es nicht. Auch wenn das Gewitter Richtung Hardingsholm zog, musste das nicht bedeuten, dass es sich über der Halbinsel austobte, das schien Erik zumindest ein wenig zu beruhigen. Als sie ihm aber im selben Atemzug ihre Überlegung mitteilte, in ein oder zwei Stunden, je nach Wetterlage, vielleicht doch noch abzufliegen, schien er fast enttäuscht.
»Bleiben Sie«, bat er. »Ich würde mich sehr freuen. Es wäre doch unsinnig, wenn Sie heute Abend noch zurückfliegen. Wir haben Platz genug, und Linn freut sich bestimmt auch über einen weiteren Gast zum Polterabend.«
Lars verengte kurz die Augen, dann lächelte er. »Ja, bleiben Sie«, stimmte er seinem Bruder zu. »Dann können wir uns zusammentun. Ich erzähle Ihnen von meinen Reisen und Sie mir von Ihren Abenteuern in Ihrer fliegenden Kiste.« Er wies zum Flugzeug hinunter.
Hellen hatte nicht das Gefühl, eine Wahl zu haben, und so stimmte sie schließlich zu.
– 16 –
E r war wieder da!
Linn hatte sich auf ihr Bett fallen lassen, starrte vor sich hin und versuchte, ihre aufgewühlten Gefühle unter Kontrolle zu bekommen.
Natürlich, Lars war immer da gewesen, in ihrem Kopf, in ihrem Herzen, aber dass eine Begegnung mit ihm sie derart aufwühlen würde, damit hatte sie nach all den Jahren nicht mehr gerechnet.
Es war kaum auszuhalten. Linn sprang auf. Ihr Blick fiel auf den Spiegel, der sie selbst immer noch im Hochzeitskleid zeigte.
Plötzlich hatte sie das Gefühl, die weiße Spitze würde auf ihrer Haut brennen. Sie riss sich das Kleid hektisch vom Körper, und es war fast ein Wunder, dass der feine Stoff der groben Behandlung standhielt. Fast nackt hielt sie inne, zitternd vor Aufregung.
»Was mache ich denn?«, fragte sie sich selbst, und der Klang ihrer Stimme, die die Stille des Zimmers durchschnitt, erschreckte sie. Sie fühlte sich ganz und gar nicht wie eine Braut, die morgen mit dem Mann, den sie liebte und mit dem sie ihr ganzes Leben teilen wollte, vor den Altar trat.
Erik …!
Er wusste doch noch gar nicht, dass sein Bruder wieder zu Hause
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