Hochzeit in Hardingsholm
keinen Sinn hatte, sich ins Bett zu legen. Schlafen konnte sie sowieso nicht.
– 22 –
L inn war wütend. Auf sich selbst, vor allem aber auf Lars. Was fiel ihm ein, nach fünf Jahren einfach zurückzukommen und alles durcheinanderzubringen!
Nein, verbesserte sie sich, nicht alles, sondern vor allem sie durcheinanderzubringen.
Als er sie gerade beim Tanzen an sich gezogen hatte, war ihr das unangenehm gewesen.
Nein, wieder musste sie sich verbessern. Es war ihr nicht unangenehm gewesen, nach all den Jahren wieder in seinen Armen zu liegen und sich wenigstens für die Dauer eines Tanzes einzubilden, es wäre alles wie früher. Ganz so, als lägen keine fünf Jahre zwischen ihnen, die sie nicht nur räumlich voneinander entfernt hatten.
Unangenehm war ihr nur der Gedanke, dass man ihr ansah, was sie empfand. Dass einer der Gäste ahnte, was in ihr vorging. Zumindest ihrer Mutter würde sie nur schwer etwas vormachen können.
Nach dem Tanz blieb Lars nun an ihrer Seite. Und sofort strich auch Edda um sie herum, mit diesem sorgenvollen Blick, den Linn nur allzu gut kannte. Es schien Linn angeraten, einen großen Bogen um ihre Mutter zu machen. Sie wollte mit ihr nicht über Lars reden, sich keine Vorhaltungen machen lassen. Wahrscheinlich hatte Edda jetzt Angst, dass sie es sich im letzten Moment doch noch anders überlegte. Sie war schon damals mit Lars nicht einverstanden gewesen, hatte Erik immer für den Zuverlässigeren der beiden Brüder gehalten – womit sie letztendlich ja auch recht behalten hatte.
Linn schaute sich suchend nach Erik um, aber er war nirgendwo zu sehen. Stattdessen kam Kalle mit großen Augen auf sie und Lars zu.
»Mann, dass du wieder da bist.« Er umarmte Lars, klopfte ihm immer wieder auf die Schulter und schaute ihn an, als traue er seinen eigenen Augen nicht. »Wir haben dich hier alle vermisst.«
Lars lächelte zwar, aber Linn wusste, dass er sich unbehaglich fühlte. Das geschieht ihm eigentlich ganz recht, dachte sie, vielleicht denkt er jetzt mal darüber nach, was er uns hier mit seinem Verschwinden angetan hat. Der Tanz war in ihren Augen ein Zeichen dafür, dass er ihr gegenüber ein schlechtes Gewissen hatte, und auch der Blick, mit dem er sie jetzt ansah, bestätigte das. Aber eigentlich konnte ihr das egal sein. Morgen würde sie Erik heiraten, und das war gut und richtig. Warum aber fühlte sie sich seit dem Tanz so verunsichert, so nervös?
»Ihr beide habt euch bestimmt eine Menge zu erzählen«, sagte sie und nutzte die Gelegenheit, um sich von Lars loszueisen.
Doch schon nahte neues Unheil. Als Linn ihre Mutter auf sich zukommen sah, winkte sie ihr flüchtig zu und wechselte die Richtung. Nicht jetzt, nur nicht jetzt!
Sie kam bis zum Büffet, wo sie auf Pfarrer Munthe traf, der morgen die Trauung vornehmen würde. Er stand vor den Desserts und konnte sich offensichtlich nicht entscheiden.
»Probieren Sie doch das Tiramisu«, schlug Linn vor und warf einen raschen Blick zurück. Ihre Mutter war stehen geblieben und beobachtete sie. Linn seufzte. Aber solange sie mit dem Pfarrer im Gespräch war, würde ihre Mutter kaum versuchen, ihr Vorhaltungen zu machen wegen …
Ja, weshalb eigentlich? Sie hatte nichts getan, dessen sie sich schämen musste, und Edda konnte ihr kaum vorwerfen, dass sie mit ihrem zukünftigen Schwager getanzt hatte, und das nicht einmal freiwillig.
Pfarrer Munthe lud sich eine große Portion Erdbeeren mit Schlagsahne auf den Teller. »Das mag ich noch ein bisschen lieber«, sagte er zu Linn, die sich ihrerseits eine große Portion Tiramisu nahm. Sie sprachen über die Trauung am nächsten Tag und löffelten ihren Nachtisch. Linn spürte, dass sie allmählich zur Ruhe kam. Als Pfarrer Munthe zu einem Tisch gerufen wurde, füllte sie ihren Teller gleich noch einmal.
»Was machst du da?« Ihre Mutter erwischte sie, als Linn sich mit dem vollen Teller in eine stille Ecke zurückgezogen hatte.
»Tiramisu essen!« Linn streckte den Teller in ihrer Hand demonstrativ vor und tauchte den Löffel hinein.
»Du weißt genau, was ich meine«, zischte Edda. Ihre Stimme klang aufgebracht, wobei sie das Kunststück fertigbrachte, gleichzeitig lächelnd umherzuschauen.
»Nein, das weiß ich nicht.« Linn schüttelte den Kopf und schaffte es ihrerseits, die Mutter arglos anzuschauen.
»Halt dich von Lars fern«, sagte Edda scharf.
Linn holte tief Luft. »Sag das ihm«, gab sie zurück. »Er hat mich zum Tanzen aufgefordert, und im Gegensatz zu dir
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