Hochzeit in Hardingsholm
sie Lars immer noch liebte? Was würde es in ihm auslösen, wenn sie ihm ein solches Geständnis machte?
Erik fühlte sich mit einem Mal völlig hilflos. Müsste ihm dieser Gedanke nicht Angst machen? Was war mit seinen eigenen Gefühlen? Liebte er Linn?
Bisher hatte er seine Gefühle für sie nie in Frage gestellt, und auch jetzt war er sich immer noch sicher, dass er sie liebte. Aber war es die Liebe, die ein Mann für eine Frau empfand, oder war es nicht doch ein anderes Gefühl? Eines, dass er nicht benennen konnte?
Auf einmal kam es ihm so vor, als wäre das ein Tabu, an das sie beide nicht zu rühren wagten. Weil es etwas bewegen würde, das sich ihrer Kontrolle entzog.
Linn drehte sich unruhig auf den Rücken und schlug plötzlich die Augen auf. Sie schrie leicht auf.
»Pst«, sagte er leise. »Ich bin es nur.«
Sie setzte sich auf und musterte ihn sichtlich verwundert. »Was machst du da?«
Erik lachte gequält. »Sieht so aus, als wäre ich nervös.« Er trat vor, setzte sich zu ihr auf die Bettkante. Linn rutschte ein bisschen näher, schmiegte sich an ihn.
»Du bist nervös? Das kann ich mir nicht vorstellen«, murmelte sie schlaftrunken. »Du bist doch mein Fels in der Brandung.«
Ja, das war er wohl, und wahrscheinlich war das genau der Grund, weshalb sie zusammen waren. Sie war auch sein Fels in der Brandung gewesen, und sie wussten beide, dass sie sich gegenseitig nie enttäuschen würden …
… weil nur die Menschen, die man liebt, einen wirklich enttäuschen können, schoss es ihm durch den Kopf.
Erik war entsetzt, als ihm klar wurde, dass er seine Gefühle für Linn in Frage stellte. Aber war dieses tiefe Gefühl, das Bestand hatte und sie durch ihr gemeinsames Leben tragen würde, nicht wichtiger als eine himmelsstürmende, leidenschaftliche Liebe?
Erik griff nach ihrer Hand. »Du hast vermutlich recht.« Er umfasste sie ganz fest und küsste sie auf die Stirn. »Es gibt nichts, weshalb ich nervös sein müsste. Das wird ein schöner Tag morgen.«
»Ja«, murmelte sie. Als er schon glaubte, sie wäre in seinen Armen wieder eingeschlafen, hob sie plötzlich den Kopf und schaute ihm ins Gesicht.
»Wir werden doch glücklich?«
Erik war verwirrt. Zweifelte sie etwa? Machte sie sich ähnliche Gedanken wie er? Oder war sie einfach nur nervös? Erik wollte schon zu einer beruhigenden Antwort ansetzen, überlegte es sich aber anders. Wann, wenn nicht jetzt, sollten sie darüber reden? Bevor er jedoch etwas erwidern konnte, stöhnte Linn kurz und leise auf.
»Was ist los?«, fragte er erschrocken.
»Keine Ahnung, mir war vorhin schon einmal irgendwie schlecht.« Linn lachte leise. »Ich habe einfach zu viel gegessen. Hoffentlich passt mein Hochzeitskleid morgen noch.«
Also doch, sie war nervös. Erik strich ihr zärtlich über den Kopf. »Es wird passen, und du wirst die schönste Braut sein, die es in Schweden jemals gegeben hat«, versicherte er. Als er ihren angstvollen Blick bemerkte, zwang er sich doch zu einer beruhigenden Antwort: »Ja, wir werden glücklich. Es gibt keinen Grund, weshalb wir nicht glücklich werden sollten.«
Es gelang ihm nur mit Mühe, die nagenden Zweifel zu übertönen. Aber es war spät, es war die Nacht vor der Hochzeit, und sie brauchten noch ein bisschen Ruhe.
»Schlaf gut«, sagte er leise und küsste sie, diesmal auf den Mund.
Linn schlang die Arme um seinen Hals, erwiderte seinen Kuss mit einer Leidenschaft, die ihn überraschte. Plötzlich stöhnte sie wieder auf und löste sich aus seinem Arm.
»Tut mir leid«, sagte sie. »Ich sollte jetzt wirklich versuchen, zu schlafen, damit ich morgen fit bin. Dieses Tiramisu liegt mir ziemlich schwer im Magen.«
»Bis morgen!« Erik stand auf und ging. An der Tür wandte er sich noch einmal um. Sie schaute ihm nicht nach, ihr Blick war zum Fenster gerichtet. Der Mond beschien ihr Gesicht, und Erik fand, dass sie nicht wie eine glückliche Braut aussah, sondern eher sehr traurig.
Er zögerte kurz, wandte sich dann aber ab und ging hinaus in sein eigenes Zimmer, obwohl er in den letzten beiden Jahren kaum noch dort übernachtet hatte. Es war Eddas Idee gewesen, dass sie in der Nacht vor der Hochzeit in getrennten Zimmern schliefen, und auch wenn Erik das ebenso altmodisch fand wie Linn, so hatten die beiden sich doch gefügt. Und jetzt war Erik sogar froh, allein zu sein …
– 25 –
D ie Luft in dem kleinen Zimmer war trotz des geöffneten Fensters so stickig, dass Hellen beschloss, noch einmal nach
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