Hochzeit in St. George (German Edition)
rufen zu müssen. Sicher hätte Catharine auch gesellschaftlichen Erfolg gehabt, wenn bekannt geworden wäre, daß sie die Schwester des gegenwärtigen Herzogs von Milwoke war. Und doch war sie froh, daß es nicht nötig war, sich auf dieses Verwandtschaftsverhältnis zu berufen.
Sie hatte ihrem Mann ihre wahre Herkunft nicht verraten, und sie wollte es auch in Gesellschaft nicht tun. Es war schwierig genug, Ausreden auf die neugierigen Fragen zu finden, warum ihr Ehemann nie in Gesellschaft seiner frisch angetrauten Gemahlin zu sehen war. Was würde man sie alles fragen, wenn bekannt würde, wer sie war. Man würde wissen wollen, wie es zur Trauung mit Gervais gekommen war, ob sie denn nicht Roger geheiratet hatte. Und warum sie nicht in das Haus ihres Bruders zurückgekehrt war.
Nein, Catharine wollte lieber nicht Rede und Antwort stehen müssen. Zum Glück schienen Henry und Esther ein sehr zurückgezogenes Leben am Hanover Square zu führen. Catharine war ihnen noch nie auf einer Veranstaltung begegnet. Nur einmal hatte sie ihre Schwägerin von weitem beim Einkaufen in der Bond Street entdeckt. Ohne zu zögern, hatte sie die Gegenrichtung eingeschlagen, um der Frau ihres Bruders nicht zu begegnen.
Ihren Mann sah Catharine in den ersten Wochen der Ehe selten.Wenn sie morgens aufstand, um mit Hetty zu frühstücken, schlief Richard noch. Er erhob sich meist, während sie in der Stadt war, um Besorgungen zu machen, oder bei der Schneiderin, um neue Kleidungsstücke anzuprobieren. Kam sie mit Hetty zurück, so hatte Richard das Haus bereits verlassen, um im Club mit Freunden den Lunch einzunehmen. Auch am Abend gingen sie getrennte Wege. Die Damen besuchten Bälle, Konzerte und Soireen. Richard Willowby führte das gewohnte Leben in seinem Freundeskreis fort, als wäre er weiterhin Junggeselle. Wenn sich die Eheleute überhaupt am Tag sahen, so war das am späten Nachmittag, wenn Richard nach Hause kam, um sich für den Abend umzukleiden. Dann wechselten sie einige Worte miteinander. Richard fragte sie, wie sie mit Hetty zurechtkäme, oder machte lobende Bemerkungen über die zahlreichen Veränderungen, die sie in seinem Haus durchgeführt hatte. Catharine erzählte ihm von kleinen amüsanten Erlebnissen bei Einkäufen oder fragte ihn, ob die eine oder andere Idee, die sie in seinem Haus verwirklichen wollte, seine Zustimmung fand. Sie begegneten einander mit Respekt und freundlicher Zuvorkommenheit. Und doch blieben sie flüchtige Bekannte, die sich nicht bemühten, einander kennenzulernen.
Um so überraschender war es für Catharine daher, als sie auf dem Ball der MacAlisters zufällig zur Tür blickte und ihren Gemahl quer durch den Saal auf sich zukommen sah. Sein Anblick war so unerwartet, daß Catharine regelrecht zusammenzuckte. Sie stand eben mit ihrer Gastgeberin, einer kleinen reizenden Dame mit dunklen Locken und einem hochmodischen rauchblauen Abendkleid, am Rande der Tanzfläche, um ein paar Worte über die Opernaufführung zu wechseln, die sie am Vorabend besucht hatten, als ihr Blick auf Richard fiel. Was mochte wohl geschehen sein, daß er so überraschend erschien? Sie hatte die Einladungskarte absichtlich an auffälliger Stelle in der Halle deponiert, damit er sie nicht übersehen konnte. Und doch hatte er kein Wort darüber verloren, daß er sie an diesem Abend begleiten wollte. Und nun war er hier. Es mußte etwas passiert sein, war ihr erster Gedanke. Ob er sich in vornehmer Gesellschaft überhaupt zu bewegen wußte, ihr zweiter. Er war es doch gewohnt, mit seinen Freunden in lockerer Atmosphäre seine Abende zu verbringen. Würde sie sich für ihn genieren müssen?Konnte er tanzen? Würde er damit auffallen, daß er an den Spieltischen, die in den angrenzenden Räumen aufgestellt worden waren, um unverschämte und für private Abende unverhältnismäßig hohe Einsätze spielte? Würden sich seine Gastgeber überhaupt darüber freuen, ihn unter ihren Gästen zu haben? Immerhin hatte sich die Einladung auch auf ihn erstreckt. Allerdings gebot es schon die Höflichkeit, ein Ehepaar gemeinsam einzuladen.
Catharine wandte sich an ihre Gastgeberin, um festzustellen, ob diese mit abweisendem Blick die Ankunft ihres Mannes beobachtete. Mylady schien zwar nicht abweisend, aber deutlich ratlos zu sein. Sie kennt Richard gar nicht, durchfuhr es Catharine. Sie lebten beide schon lange in derselben Stadt und waren noch nie miteinander bekannt gemacht worden. Es gelang ihr meisterhaft, ihre Überraschung
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