Hochzeit in St. George (German Edition)
intensiv warb er jedoch auch um die Gunst von Chou-Chou Meloni, dem neuen Star des Covent-Garden-Balletts. Und auch die Damen des diskreten Etablissements von Madame Luise schienen sich keine Sorgen machen zu müssen, einen ihrer spendabelsten Gäste zu verlieren. Wäre der Beau in Hetty verliebt, würde er sich keine neue Mätresse anlachen, schloß Richard Willowby messerscharf. Daß er seiner Schwester die Ehe aus Vernunftgründen anbieten würde, war ebenso ausgeschlossen. Bridge war der Erbe eines Herzogtitels und eines beträchtlichen Vermögens. Welche Vernunft sollte da wohl die Heirat mit der mittellosen Tochter eines bloßen Viscount gebieten? Wenn Richard nicht wußte, was Bridges tatsächliche Absichten waren, so war er sich doch sicher, daß diese nur unehrenhaft sein konnten.
So kam es also, daß sich Richard Willowby in der ungewohnten Rolle als Opern- und Konzertbesucher wiederfand. Ja, einmal besuchte er sogar einen Liederabend, obwohl er den Koloratursopran der italienischen Sängerin auf das tiefste verabscheute. Hetty und Catharine freuten sich über seine Begleitung. Beau Bridge, der seinen Freund nun seinerseits durchschaute, bedachte ihn unter schweren Lidern mit manch spöttischem Lächeln. Und Richard, der gedacht hatte, daß er sich bei diesen Veranstaltungen zu Tode langweilen würde, war überrascht, daß dem nicht so war. Zwar hatte er für die Musik auch weiterhin nichts übrig, doch er genoß das Gefühl, sich um seine Schwester zu kümmern. Die Abende wurden ihm zudem durch Catharines Gegenwart erheblich erleichtert. Es freute ihn in zunehmendem Maße, sich mit ihr zu unterhalten. Sie hatte ein scharfes Auge und machte ihn auf so manche gewagte Kreation im Publikum aufmerksam, sie lachten beide über kleine Episoden, die sie bei Einkäufen oder Veranstaltungen erlebt hatten, und sie stellten gemeinsame Überlegungen an, was im Haus in der Mount Street nochfehlte, um es wirklich zu einem herrschaftlichen Palais zu machen. Und wie man Fehlendes auf möglichst kostengünstige Weise beschaffen könnte. So legte Richards Besorgnis um seine Schwester die Basis für die aufkeimende Freundschaft mit der Frau, die er so überstürzt geheiratet hatte.
Mit von der Partie bei diesen abendlichen Unterhaltungen war außer dem Ehepaar Willowby, Hetty und dem Beau meist auch Lord Deverell. Mit seiner ruhigen, überlegten Art war er in allen Häusern ein gern gesehener Gast. Natürlich, er war weder so schön wie der Beau, noch hatte er Aussicht auf einen Herzogtitel und das damit verbundene Vermögen. Darum war er in der Damenwelt bei weitem nicht so umschwärmt wie sein gutaussehender Freund. Er war zu still, um im Mittelpunkt zu stehen. Jede Art von Sich-zur-Schau-Stellen, eine Kunst, die der Beau perfekt beherrschte, war ihm aus tiefstem Herzen zuwider. So waren es weniger die jungen Mädchen, deren Aufmerksamkeit er erregte. Es waren vielmehr die Mütter, die den Ehrgeiz hatten, einen wohlhabenden Baron für ihre Tochter zu sichern. Hugh Deverell war auch ein gesuchter Ratgeber in allen Einrichtungsfragen, und es war gang und gäbe, daß Damen der Gesellschaft, die ihren Salon neu einrichten wollten, zu ihrer Freundin sagten: »Ich würde gerne das Speisezimmer völlig umgestalten. Mein Mann ist für Grüntöne und Jagdmotive an den Wänden. Ich selbst bevorzuge diese entzückenden Chinatapeten, die unser verehrter Prinzregent in Mode gebracht hat. Ich muß unbedingt Deverell um Rat fragen.«
Bei Männern war er ein gern gesehener Jagdgast und aufgrund seiner umfassenden Bildung ein beliebter Gesprächspartner. Daß so manche verheiratete Lady seine Gesellschaft im intimen Rahmen besonders schätzte, konnte auch von den neugierigsten Klatschbasen nie bewiesen werden. Diskretion war Hugh Deverell heilig. Über die seltsame Freundschaft zwischen dem arroganten, skrupellosen Lord Bridgegate, dem leichtfertigen, lebenslustigen Richard Willowby und dem ernsten, belesenen Hugh Deverell war schon in der Vergangenheit viel gerätselt worden. Ihr ungewohnt einmütiges Auftreten abseits der Spieltische gab den Spekulationen neue Nahrung. Hätte Richard etwas davon geahnt, so hätte er jede Vermutung mit energischer Handbewegung von sich gewiesen. Warum sollte Hugh sie nicht begleiten? Er war ihr Freund, sicher war es ihm langweilig,alleine andere Veranstaltungen zu besuchen. Der Gedanke, daß sie auch früher oft tagelang getrennte Wege gegangen waren, ohne daß bei Lord Deverell irgendwelche Anzeichen
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