Hochzeit ins Glück (Fürstentraum) (German Edition)
Autos, meterhohen Haufen von Müllsäcken und etwas, das aussah wie eine Skulptur aus geschmolzenen Altpapiercontainern, ging die Fahrt quer durch die heruntergekommene und verdreckte Stadt zum Flughafen. Als typischer Berliner schimpfte der Mann über einfach alles: den Verkehr, die Ampeln, die Baustellen, die anderen Autofahrer, den Bürgermeister, die Touristen, die Preise, das Wetter. Als er damit durch war, holte er kurz Luft und fing wieder von vorne an. Nachdem er sie am Flughafen abgesetzt hatte, zahlte Christine ihm genau, was auf der Uhr stand und versetzte ihn so in die Lage, sich künftig auch noch über geizige Fahrgäste und miese Trinkgelder auslassen zu können. Mit quietschenden Reifen raste er davon, nicht ohne ihr noch etwas Unflätiges zuzurufen.
Geh zum Teufel, dachte sie müde. Und nimm die ganze verdammte Stadt mit. Soll sich doch der Leibhaftige damit rumschlagen. Das wird ihn schon dazu bringen, da unten eine Eingangskontrolle einzuführen.
Christine hatte nur Handgepäck und ließ die vollgepackten Abfertigungsschalter links liegen. Sie checkte am Automaten ein und ging zum Flugsteig. An der Sicherheitsschleuse hatte sich bereits eine Schlange gebildet und Christine stellte sich hinten an. Eingeklemmt zwischen einer Familie mit zwei quengelnden Kleinkindern und einem Idioten, der ihr ständig mit dem Trolley in die Hacken fuhr, rückte sie langsam vor. Als sie an der Reihe war, zog sie ihre Schuhe aus, legte Tasche und Mantel auf das Band und ging durch den Metalldetektor. Das würdelose Abtasten durch das Sicherheitspersonal ließ die Prinzessin von Hohenthann schweigend über sich ergehen, in Strümpfen, die Beine leicht gespreizt und mit erhobenen Händen.
Als Kind war Christine leidenschaftlich gerne geflogen. Auf dem Sitz des Copiloten war sie mit dem Fürsten in der kleinen Cessna über der Burg gekreist, dann hatte Vater die Maschine aus der Kurve geholt, mit den Flügeln gewackelt, “für die Mama, falls sie uns von unten zuschaut”, die Cessna sanft aufgerichtet und ihr das Steuer überlassen. Himmel, wie hatte das Spaß gemacht. Und es war so einfach. Drücken, es geht runter, ziehen, es geht rauf, jedes Kind konnte das. Immer höher wollte Christine gehen, bis sie schließlich überzog und die Cessna erst einen wahnwitzigen Moment lang still in der Luft stand, wie festgenagelt am blauen Himmel und dann auf einmal abkippte. Christine schrie ein bißchen, dann griff der Vater lachend ein, gab Gas und drückte, bis die Maschine wieder Fahrt aufnahm. Danach hielt er ihr einen Vortrag über Strömungsabrisse. Zu einem Zeitpunkt hatte sie sogar erwogen, selbst einen Pilotenschein zu machen, doch Abitur und Studium waren ihr dazwischengekommen. Heute hätte sie die Bahn vorgezogen, aber Hohenthann war schlecht angebunden und die Fahrt hätte endlos gedauert.
Alles wird einem verdorben, dachte sie traurig, während sie im Terminal saß und in den Regen hinaussah.
Sie schaute auf den Plastikbecher mit lauwarmer, dünner Brühe, den sie gerade für einen Wucherpreis gekauft hatte.
Sogar der Kaffee.
Vorsichtig stellte sie den fast vollen Becher unter die Sitzbank. Sie blickte auf die Häufchen von Unrat, die den fadenscheinigen Teppichboden bedeckten wie kleine Maulwurfshügel. Das Terminal sah aus, als wäre es seit dem Fall der Mauer nicht sauber gemacht worden. Wahrscheinlich würde der Becher bei der nächsten Eiszeit noch da stehen.
Auch gut, können sich zukünftige Generationen damit herumschlagen.
Endlich wurde der Flug nach München aufgerufen und sie trottete mit den anderen Passagieren an Bord. Noch einmal vergingen endlose Minuten, bis die Maschine endlich an den Start rollte. Dann heulten die Triebwerke auf, die Bremsen wurden gelöst und das Flugzeug setzte sich widerwillig in Bewegung, langsam erst und dann immer schneller werdend. Christine starrte auf die Markierungen am Rand der Rollbahn, die am Kabinenfenster vorbeirasten und auf einmal nach unten wegfielen. Nur Sekunden später war die Hauptstadt schon so vollständig von Regen und Wolken verschluckt worden, als hätte sie nie existiert.
*
Eine gute Stunde später setzte der Flieger sachte in München auf und rollte zum Terminal. Christine hatte das Essen im Flugzeug ebenso überstanden wie die sagenhaft phantasielosen Versuche ihres Sitznachbarn, mit ihr anzubändeln. Während sie in der Luft gewesen war, hatte sich der Regen verzogen, und die Sonne strahlte mittlerweile vom
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