Hochzeit ins Glück (Fürstentraum) (German Edition)
Jahrhunderten präsentiert sich die Burg daher heute als eine in Bayern einmalige Ansammlung verschiedenster Stilrichtungen von der Gotik bis zum Klassizismus. Vor einigen Jahren hatte Hohenthann sogar einmal eine Briefmarke zieren sollen, mußte sich dann aber Burg Eltz geschlagen geben, Ergebnis einer Intrige der hinterlistigen Pfälzer, die zuvor ihr zweitklassiges Gemäuer bereits auf einem Geldschein plazieren konnten.
Markantes Wahrzeichen der Burg ist seit über einem halben Jahrtausend der etwa dreißig Meter hohe Wehrturm aus dem frühen 15. Jahrhundert, von dessen oberster Plattform der Besucher eine prächtige Aussicht auf das umliegende Land hat.
Christine fuhr durch das Haupttor auf den Innenhof der Anlage. Sie parkte den kleinen Mietwagen aufs Geratewohl, drehte den Zündschlüssel nach links, legte die Hände in den Schoß und blieb einfach sitzen. Für einen Augenblick schaltete sie völlig ab, dachte nichts, fühlte nichts, erwartete nichts.
Fast eine volle Minute saß sie so da, starr und mit geöffneten Augen. Leichtes Klopfen an der Seitenscheibe riß sie aus ihrer Trance. Friedrich Bürger sah sie besorgt an.
“Fräulein Christine, ist alles in Ordnung mit Ihnen?”
“Ach Herr Bürger - ja, mir geht’s gut, ich bin nur ein wenig müde von der Reise”, sagte Christine matt und stieg aus dem Auto.
Sie gab Bürger die Hand und lächelte.
“Wie schön, Sie wiederzusehen”, sagte sie und meinte es ganz ehrlich. “Hatten Sie viel zu tun in letzter Zeit?”
“Ja, Fräulein Christine, seit Wochen dreht sich alles um die Hochzeit. Aber es sind ja nur noch ein paar Tage.”
Christine nickte und sah sich zum ersten Mal richtig um. Makellos stand die Burg da. Blank geputzt die Fenster, säuberlich geharkt der feine Kies, wie poliert der Marmor der Treppe zum Hauptgebäude. An den Rabatten werkelten fleißig einige von Bürgers Leuten, die fröhlich herüberwinkten, als sie Christine erkannten. Als Kinder hatten Christine und Hedy vor dem ‘alten Fritz’ gehörigen Respekt gehabt. Über die Jahre dann war aus dem Respekt gegenseitige Zuneigung und Hochachtung geworden. Christine wußte, daß man ein Haus von der Größe Hohenthanns nur mit starker Hand in Ordnung halten konnte, und Friedrich Bürger war dafür der richtige Mann.
“Das haben Sie aber schön hinbekommen. Siebenhundert Jahre alt und sieht beinahe aus wie neu.”
“Na ja, wenn so viele hohe Persönlichkeiten kommen, will man ja einen guten Eindruck machen. Aber wir hatten schon gut zu tun.”
“Wollen wir hoffen, daß die Leute am Sonntag nicht wieder alles durcheinanderbringen.”
“Ach, wir lassen gar nicht erst jeden in die Burg.”
Er wies auf zwei Kleiderschränke, die am Tor standen und zu ihnen herüber grinsten.
“An Anderl und Korvi kommt keiner vorbei, wenn die das nicht wollen. Die Fürstin hat sich da sehr klar ausgedrückt.”
“Das kann ich mir vorstellen. Wissen Sie, wo meine Mutter sich gerade aufhält, Herr Bürger?”
“Ich glaube, sie ist bei Fräulein Hedy.”
“Danke, ich gehe dann mal gleich hoch. Kann ich das Auto hier stehen lassen?”
“Ja, natürlich, ist ja Platz genug. Wir fahren es nachher in die Remise, da kann es bis zu ihrer Abreise bleiben.”
Bürger legte die Hand an die Mütze und machte sich wieder an seine Arbeit, während Christine die zwölf Stufen zum Hauptgebäude hinaufstapfte.
Christine ging die weit geschwungene Treppe, die von dem großzügigen Vestibül abging, hinauf in den ersten Stock. Oben wandte sie sich in den rechten Flügel des Gebäudes. Hedys Zimmer lag ganz am Ende des Korridors, von dessen Wänden die verblaßten Portraits vergangener Hohenthanns mißbilligend auf Christine heruntersahen. Als Kind konnte sie die Familiengeschichte und den ganzen Stammbaum auswendig, doch das meiste war ihr inzwischen wieder verloren gegangen. Wie nicht anders zu erwarten, waren unter ihren Vorfahren gute und schlechte Hohenthanns gewesen, kluge und nicht so kluge, schöne und häßliche, doch alles in allem überwogen die positiven Eigenschaften. Erbkrankheiten und hängende Unterlippen waren der Familie erspart geblieben, anders als etwa den geplagten Habsburgern.
Ihre Mutter und ihre Schwester standen vor dem großen Spiegel in Hedys Zimmer.
“Siehst du, Mutti, dieser Reißverschluß geht dauernd wieder auf”, sagte Hedy und zog das störrische Ding wieder herunter. “Meine Dinger haben ja wohl noch die gleiche Körbchengröße wie im
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