Hochzeit ins Glück (Fürstentraum) (German Edition)
die halbe Burg abtragen. Und das Bild ist doch immer noch genau so schön, ganz egal, was nun gerade für ein Name daruntersteht. Außerdem sind wir reich, zumindest an Geschichte.”
“Hast recht, das zählt sowieso mehr. Na schön, Papa, ich laß dich mal wieder alleine. Kuß.”
Christine holte ihre Tasche und ihren Mantel aus dem Wagen und stieg langsam die Treppe hoch in ihr altes Kinderzimmer über dem Torhaus. Auf dem frisch bezogenen Bett lag schon das Kleid, das sie bei der Trauung am Sonntag tragen würde; es war aus Berlin vorausgeschickt worden. Auf dem Kopfkissen waren zwei Schokoladetäfelchen drapiert. Sogar an Blumen hatte ihre Mutter gedacht, eine Vase mit frisch geschnittenen Narzissen stand auf dem kleinen Sideboard und verlieh dem Raum eine heimelige Atmosphäre.
Christine stellte ihre Sachen ab und ging ins Bad. Zum ersten Mal, seit sie in Georgs Büro aufgewacht war, blickte sie in einen Spiegel und sah einen fremden Menschen.
Bin das wirklich ich?
Bist schon du, nur älter als gestern.
Mit dem Finger zog sie die dunklen Schatten unter ihren Augen nach. Sie machte sich frisch, tauschte ihre förmliche Reisekleidung gegen bequemere Sachen, hing das Kleid auf und ließ sich schließlich ermattet aufs Bett fallen.
Christine war todmüde. Einmal richtig durchschlafen, das wäre herrlich, dachte sie und schloß die Augen.
Mit einem Schlag kamen die Geschehnisse der letzten Nacht wieder hoch, und jetzt konnte Christine ihnen nicht mehr ausweichen. Verzweifelt bemühte sie sich, die Ereignisse zu rekonstruieren, doch das meiste war einfach weg.
Sie war von der Pyramide gefallen, das sah sie bildlich vor sich. Und irgendwie waren sie dann in Georgs Büro gelandet. Auch daran konnte sie sich vage erinnern. Sie hatte sich auf die Couch gesetzt und die Schuhe abgestreift. Georg hatte auf ein Paneel an der Wand gedrückt, das zur Seite geglitten war. Dahinter war eine Bar zum Vorschein gekommen. Er hatte zwei Drinks gemixt und die Gläser zum Couchtisch gebracht. Was war dann passiert? Was hatte er getan? Was hatte sie getan? Christine wußte es nicht.
Was empfand sie für Georg? Nichts. Was empfand er für sie? Sie kramte in ihrer Tasche nach dem Handy. “Keine Anrufe”. Offensichtlich auch nichts. Was sollte jetzt werden mit ihrer Arbeit bei Tacke? Würde sie jetzt Leiterin der Rechtsabteilung, nachdem sie mit Georg... Entsetzt barg Christine den Kopf in den Händen. Daß sie fähig war, derartiges zu denken. Daß es soweit mit ihr kommen konnte. Ein trockenes Schluchzen schüttelte sie durch.
Dann klang es leise an, tief in ihrem Herzen, wie ein längst vergangenes Echo.
“Schwöre es.”
“Erst du.”
Sie hob den Kopf und lauschte, doch da war nichts. Sie ging langsam zum Kamin. Christine streckte die Hand aus, drückte auf den unauffälligen Stein am Sims und tatsächlich, die Rückwand des Kamins schwenkte zur Seite, der Zugang zum alten Geheimgang war frei. Seit Jahren hatte Christine nicht mehr an die Ereignisse in der Rüstkammer gedacht, doch nun brach es über sie hinein: Marcus, der Schwur, und - der Kuß, dieser wunderbar süße und innige Kuß. Jetzt endlich konnte sie nicht mehr, zuviel waren die letzten Tage gewesen, zuviel die letzte Nacht. Die Tränen rannen ihr über das Gesicht, rannen nicht enden wollend, und Christine wehrte sich nicht dagegen.
10
Nach langem und traumlosen Schlaf erwachte Christine am Freitag morgen auch ohne Mithilfe ihres Weckers. Die letzten Überreste des Katers waren spurlos verschwunden und sie fühlte sich wach und erfrischt.
Christine kletterte aus dem Bett und ging ins Bad. Sie holte tief Luft und sah in den Spiegel. Sehr viel besser. Beinahe fabrikneu und mit voller Garantie. Katzenwäsche reicht, entschied sie, und dann raus an die Luft. Das Frühstück hole ich nach.
Zehn Minuten später war sie aus der Tür. Mit Jeans und T-Shirt, die schlanken, gebräunten Beine in sockenlosen Espadrilles, sah sie aus wie jede andere Vierundzwanzigjährige, nur bedeutend hübscher als die meisten. Das Handy hatte sie ausgeschaltet und in ihrem Zimmer gelassen; da, wo sie hinwollte, gab es sowieso kein Netz.
Unbemerkt von den anderen Bewohnern der Burg Hohenthann huschte Christine zu der kleinen Pforte zwischen Hauptgebäude und Wehrturm. Hinter der Pforte führte ein Weg hinunter zur Ache, einem nicht besonders bedeutenden Flüßchen, das sich bei Neufahrn mit der Kleinen Laber vereinigte. Vor Jahren hatten
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