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Hochzeit kommt vor dem Fall

Hochzeit kommt vor dem Fall

Titel: Hochzeit kommt vor dem Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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fünfundvierzig Jahren mit gestärktem Hemd und Monokel geht vor seiner Frau auf die Knie – vor seiner eigenen, was es noch viel komischer macht – und sagt zu ihr – sagt –«
    »Sag’s mir, Peter.«
    »Ich kann nicht. Ich traue mich nicht.«
    Sie nahm seinen Kopf zwischen ihre Hände, und was sie in seinem Gesicht sah, ließ ihr das Herz stocken.
    »O nein, Lieber, nicht … Nicht all das … Es ist fürchterlich, so glücklich zu sein.«
    »Nein, das ist es nicht«, sagte er rasch und schöpfte Mut aus ihren Ängsten.
     
    » Ein jedes Ding naht seinem Untergang,
Nur unsere Liebe kennt nicht den Verfall;
Sie hat kein Morgen, hat kein Gestern;
Eilend eilt sie doch nie uns fort,
Bewahret den ersten, letzten, den ewigen Tag. «
     
    »Peter –«
    Er schüttelte den Kopf, verzweifelt ob seiner eigenen Ohnmacht.
    »Wie kann denn ich noch Worte finden? Die Dichter haben sie mir alle schon weggenommen, und mir bleibt nichts mehr, was ich sagen oder tun kann –«
    »Außer daß du mich zum erstenmal lehrst, was sie bedeuten.«
    Er fand das schwer zu glauben.
    »Habe ich das getan?«
    »O Peter –« Irgendwie mußte sie es ihn glauben machen, weil es so wichtig war, daß er es glaubte. »Mein ganzes Leben lang bin ich im Dunkeln herumgelaufen – aber jetzt habe ich dein Herz gefunden, und ich bin glücklich und zufrieden.«
    »Und worauf laufen alle die großen Worte letzten Endes hinaus als auf dies? – Ich liebe dich – ich finde Ruhe bei dir – ich bin heimgekommen.«
     
    Es herrschte so eine Stille im Zimmer, daß Miss Twitterton glaubte, es müsse leer sein. Leise schlich sie Stufe um Stufe hinunter, voll Angst, daß Bunter sie hören könnte. Die Tür war nur angelehnt, und sie drückte sie zentimeterweise weiter auf. Die Lampe war fortgenommen worden, und sie fand sich im Dunkeln wieder – aber das Zimmer war eben doch nicht leer. Drüben auf der andern Seite, umrahmt vom Lichtkegel der Lampe, harrten die beiden Gestalten, hell und reglos wie ein Bild – die dunkelhaarige Frau mit einem Kleid gleich Flammen, die Arme um die gebeugten Schultern des Mannes geschlungen, seinen goldblonden Kopf auf ihrem Schoß. Sie waren so still und reglos, daß selbst der große Rubin an ihrer linken Hand stetig funkelte, ohne zu glitzern.
    Miss Twitterton, zu Stein erstarrt, wagte weder einen Schritt vorwärts noch rückwärts zu machen.
    »Lieber.« Das Wort war nur ein Flüstern, gesprochen ohne eine Bewegung. »Mein ganzes Herz. Mein Geliebter und Gemahl.« Die verschlungenen Hände mußten fester zugefaßt haben, denn der rote Stein sprühte plötzlich Feuer. »Du bist mein, mein, ganz und gar mein.«
    Der Kopf ging hoch, und seine Stimme nahm den Triumph dieser Worte auf und schickte ihn in einer sich auftürmenden Woge zurück:
    »Dein. Dein wie ich bin. Mit all meinen Fehlern, meinen Narreteien, ganz und auf immer dein. Solange dieser armselige, leidenschaftliche Narrenleib noch Hände hat, dich zu umfassen, und Lippen, um zu sagen: Ich liebe dich –«
    »Oh!« entrang es sich Miss Twitterton in einem erstickenden Schluchzer. »Das ertrage ich nicht! Ich ertrage es nicht!«
    Die kleine Szene zerplatzte wie eine Seifenblase. Der Hauptdarsteller sprang auf und sagte deutlich und vernehmlich:
    » Verdammt und zugenäht! «
    Harriet stand auf. Das plötzliche Aufwachen aus ihrer Verzückung und ein rasch aufwallender, abwehrender Zorn um Peters willen machten ihren Ton ungewollt scharf:
    »Wer ist da? Was tun Sie hier?« Sie trat aus dem Lichtkegel und spähte in die Dunkelheit. » Miss Twitterton? «
    Miss Twitterton, keines Wortes fähig und über alle Maßen erschrocken, konnte nur noch hysterisch schluchzen. Eine Stimme aus der Richtung des Kamins sagte verbittert:
    »Ich wußte doch, daß ich mich zum Narren machen würde.«
    »Da muß etwas passiert sein«, sagte Harriet, schon freundlicher, und streckte eine begütigende Hand aus. Miss Twitterton fand ihre Sprache wieder.
    »Verzeihen Sie mir, bitte – ich wußte nicht – es war nicht meine Absicht –« Die Erinnerung an ihr eigenes Elend gewann die Oberhand über ihren Schrecken. »Oh, ich bin ja so furchtbar unglücklich!«
    »Ich glaube«, sagte Peter, »ich kümmere mich jetzt lieber einmal darum, daß der Portwein umgefüllt wird.«
    Er zog sich schnell und leise zurück, ohne auch nur die Tür hinter sich zu schließen. Aber die bedeutungsschweren Worte waren in Miss Twittertons Bewußtsein gedrungen. Eine neue Angst ließ ihren Tränenstrom

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