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Hochzeit kommt vor dem Fall

Hochzeit kommt vor dem Fall

Titel: Hochzeit kommt vor dem Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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unversehens versiegen.
    »O Gott, o Gott, der Portwein! Jetzt wird er gleich wieder wütend sein!«
    »Du lieber Himmel!« rief Harriet, jetzt vollkommen verwirrt. »Was ist denn da wieder schiefgegangen? Was ist hier überhaupt los?«
    Miss Twitterton erbebte. Ein Schrei im Flur – »Bunter!«
    - warnte sie, daß der Ausbruch unmittelbar bevorstand.
    »Mrs. Ruddle hat etwas Schreckliches mit dem Portwein angestellt.«
    »Ach, mein armer Peter!« sagte Harriet. Sie lauschte angstvoll. Jetzt erklang Bunters Stimme, gedämpft, mit einer langen Erklärung. »Ach Gott, ach Gott, ach Gott!« stöhnte Miss Twitterton.
    »Aber was kann die Frau denn nur angestellt haben?«
    Das wußte Miss Twitterton nun nicht so genau.
    »Ich glaube, sie hat die Flasche geschüttelt«, sagte sie unsicher. »Oh!«
    Ein lauter Wutschrei durchzuckte die Atmosphäre. Peters Stimme schwoll zu einem Heulton an:
    »Was! Alle meine geliebten Kücken mitsamt der Glucke?«
    Miss Twitterton mußte die letzten Worte als einen Fluch mißverstanden haben.
    »Oooh! Hoffentlich wird er jetzt nicht gewalttätig.«
    »Gewalttätig?« Harriet war halb belustigt, halb zornig.
    »O nein, das glaube ich nicht.«
    Aber Angst ist ansteckend … und es sollte ja schon vorgekommen sein, daß schwer geprüfte Männer ihre Wut an ihren Dienern ausließen. Die beiden Frauen klammerten sich aneinander und warteten auf den großen Knall.
    »Also«, sagte eine ferne Stimme, »da kann ich nur sagen, Bunter, lassen Sie so etwas nicht noch einmal vorkommen … Schon gut … Großer Gott, Mann, das brauchen Sie mir nicht zu sagen … natürlich haben Sie das nicht getan … Wir sollten jetzt wohl mal hingehen und die Leichen in Augenschein nehmen.«
    Die Geräusche entfernten sich, und die Frauen atmeten wieder freier. Die dräuende Gefahr männlicher Gewalttätigkeit hatte ihren Schatten vom Haus genommen.
    »Na«, sagte Harriet, »es war also doch nicht so schlimm. … Aber meine liebe Miss Twitterton, was ist denn nun eigentlich los? Sie zittern ja am ganzen Körper. … Sie haben doch gewiß nicht wirklich angenommen, daß Peter – mit Sachen durch die Gegend schmeißen würde oder so etwas? Kommen Sie, setzen Sie sich ans Feuer. Ihre Hände sind wie Eis.«
    Miss Twitterton ließ sich zur Bank führen.
    »Entschuldigen Sie, das war dumm von mir. Aber ich habe immer solche Angst, wenn … wenn Herren wütend werden … und … und … schließlich sind sie doch alle Männer … und Männer sind so fürchterlich!«
    Das Ende des Satzes stieß sie mit Schaudern hervor, und Harriet erkannte, daß hier mehr im Spiel sein mußte als der arme Onkel William und ein paar Dutzend Flaschen Portwein.
    »Liebe Miss Twitterton, was haben Sie für Kummer? Kann ich Ihnen helfen? War jemand häßlich zu Ihnen?«
    Auch noch Mitleid, das war zuviel für Miss Twitterton. Sie umklammerte die gütigen Hände.
    »Oh, Mylady, Mylady – ich schäme mich, es Ihnen zu sagen. Er hat so schreckliche Dinge zu mir gesagt. Oh, bitte verzeihen Sie mir!«
    »Wer?« fragte Harriet und setzte sich neben sie.
    »Frank. So fürchterliche Dinge … Und ich weiß ja, daß ich ein bißchen älter bin als er – und sicher war ich auch sehr dumm – aber er hat gesagt, daß er mich gern hat.«
    »Frank Crutchley?«
    »Ja – und das mit Onkels Geld war nicht meine Schuld.«
    »Wir wollten heiraten – wir haben nur noch auf die vierzig Pfund und meine eigenen kleinen Ersparnisse gewartet, die Onkel sich von mir geliehen hat. Und nun ist alles weg, und kein Geld kommt von Onkel – und er sagt jetzt, daß er mich nicht mehr sehen kann – und dabei liebe ich ihn so!«
    »Das tut mir aber leid«, sagte Harriet hilflos. Was sollte sie sonst schon sagen? Die Geschichte war lächerlich und widerwärtig.
    »Er – er – er hat mich eine alte Henne genannt!« Das war also das nahezu Unaussprechliche; und nachdem es heraus war, konnte Miss Twitterton wieder leichter reden. »Er war so wütend wegen meiner Ersparnisse – aber ich habe nie daran gedacht, mir von Onkel eine Quittung geben zu lassen.«
    »Ach du meine Güte!«
    »Ich war so glücklich – ich dachte, wir würden heiraten, sowie er seine Garage aufmachte – wir haben es nur niemandem gesagt, denn sehen Sie, ich war ja. etwas älter als er, obwohl ich andererseits wieder in einer besseren Position war. Aber er arbeitete ja fleißig an sich und wollte vorwärtskommen –«
    Wie verhängnisvoll, dachte Harriet, wie verhängnisvoll! Laut sagte

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