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Hochzeit kommt vor dem Fall

Hochzeit kommt vor dem Fall

Titel: Hochzeit kommt vor dem Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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fange ausgerechnet ich selbst damit an! Ich weiß einfach nicht, was da über mich gekommen ist. Es ist beängstigend. Wird mir so etwas immer wieder passieren?«
    »Das weiß ich nicht«, antwortete er leichthin. »Ich kann es mir nicht vorstellen. In all meiner Erfahrung mit Frauen, die sich wie beim guten Dr. Watson über viele Länder und drei einzelne Kontinente erstreckt –«
    »Wieso einzeln? Treten Kontinente sonst in Schwärmen auf wie Sardinen?«
    »Weiß ich nicht. So steht’s jedenfalls geschrieben. Drei einzelne Kontinente. In meiner ganzen Erfahrung bist du ohne Vorbild. Ich habe noch nie jemanden wie dich gekannt.«
    »Wie denn das? Besitzanspruch ist nicht ohne Vorbild.«
    »Im Gegenteil – er ist so alltäglich wie Dreck. Aber ihn an sich selbst zu erkennen und über Bord zu werfen, das ist – ungewöhnlich. Wenn du ein normaler Mensch werden willst, meine Liebe, mußt du ihm freien Lauf lassen und dir und andern damit das Leben schwer machen. Und einen andern Namen müßtest du ihm auch noch geben – Liebe oder Selbstaufopferung oder so. Wenn du dich dagegen weiter so vernünftig und großmütig verhältst, denkt nachher noch alle Welt, wir wären einander völlig schnuppe.«
    »Nun ja – aber wenn ich so etwas je wieder tun sollte – gib mir um Himmels willen nicht nach …. Eigentlich hättest du das ja auch nicht getan, oder?«
    »Wenn es zum Schwur gekommen wäre – doch. Ich ertrage keinen Streit – jedenfalls nicht mit dir.«
    »Ich hätte nie geglaubt, daß du so schwach sein könntest. Als ob man herrschsüchtige Menschen je zufriedenstellen könnte! Laß ihnen einmal ihren Willen, und du mußt es immer wieder tun. Das ist wie mit dem Dänengeld.«
    »Geh nicht so hart mit mir ins Gericht, Domina. Wenn es noch einmal vorkommt, kriegst du’s mit dem Stock, das ist abgemacht. Ich wußte nur nicht so genau, womit ich es zu tun hatte – mit einer femme jalouse de l’oeuvre, oder mit einem völlig vernünftigen Einwand, oder mit der Ehe an sich. Man kann ja nicht verheiratet sein und so dahinleben, als ob man es nicht wäre, oder? Ich dachte wirklich, ich wäre vielleicht auf dem Holzweg. Oder ich dachte, wenn ich dir zeigen könnte, wo der Haken steckte – ach, ich weiß nicht, was ich gedacht habe. Ist ja auch egal. Ich weiß nur noch, was du gesagt hast, und daß es mir den Atem verschlagen hat.«
    »Und ich weiß, daß ich Anstalten gemacht habe, mich wie eine dumme Kuh zu benehmen, aber ich habe mich eines Besseren besonnen. Peter – es hat doch das andere nicht kaputtgemacht – das, was du davor gesagt hast? Es hat nichts zerstört?«
    »Zu wissen, daß ich dir mehr vertrauen kann als mir? Was denkst du denn? … Aber hör zu, mein Schatz – laß uns das Wort ›Besitz‹ um Gottes willen packen, ihm einen Stein um den Hals hängen und es ertränken. Ich will es weder selbst benutzen noch jemals hören – auch nicht im plattesten physischen Sinne. Es ist ein bedeutungsloses Wort. Wir können einander nicht besitzen. Wir können nur geben und unser Alles dranwagen – Shakespeare, würde Kirk jetzt sagen … Ich weiß nicht, was heute abend in mich gefahren ist. Ich habe Dinge gesagt, die zu sagen ich mir nie hätte träumen lassen, und wenn ich darüber hundert Jahre hätte werden müssen – dann würden sie sich aber sowieso nicht mehr zu sagen lohnen.«
    »Das muß an diesem Tag liegen. Ich habe auch Dinge gesagt … Ich glaube, ich habe alles, gesagt, außer –«
    »Stimmt. Das hast du nie gesagt. Du hast immer einen anderen Ausdruck dafür gefunden. Un peu d’audace, que diable! … Also?«
    »Ich liebe dich.«
    »Tapfer gesagt, obwohl ich es aus dir herausziehen mußte wie den Korken aus der Flasche. Warum sollte dieser Satz so schwer sein? Ich – persönliches Fürwort, Subjekt; L-I-E-B-E, liebe, Verb, aktiv, mit der Bedeutung – Also, nach Mr. Squeers’ Prinzip: Geh zu Bett und krieg es selbst heraus.«
     
    Das Fenster stand noch offen. Die Luft war für Oktober sonderbar mild und ruhig. Irgendwo in der Nähe erhob eine Katze – wahrscheinlich der rote Kater – die Stimme zu einem langgezogenen Heulen unstillbaren Sehnens. Peters rechte Hand tastete die Fensterbank ab und schloß sich um den steinernen Briefbeschwerer. Doch mitten im Tun besann er sich eines andern, ließ den Stein los, zog mit der andern Hand das Fenster herunter und verriegelte es.
    »Wer bin ich«, fragte er laut, »daß ich Steine nach meinen Mitgeschöpfen werfe?«
    Er zündete eine

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