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Hochzeit kommt vor dem Fall

Hochzeit kommt vor dem Fall

Titel: Hochzeit kommt vor dem Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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Juden und gar nicht bei ihr war. Vermutlich beschäftigte ihn das seltsame Gebaren des Mr. Noakes. Sie war diese plötzlichen Rückzüge in seine eigene Gedankenwelt inzwischen so gewöhnt, daß sie ihm so etwas nicht übelnahm. Sie hatte schon erlebt, daß er mitten in einem seiner Heiratsanträge abbrach, weil er plötzlich etwas gesehen oder gehört hatte, was als Teilchen in irgendein kriminalistisches Puzzle paßte. Seine Meditationen dauerten aber nicht lange, denn fünf Minuten später kamen sie nach Great Pagford, und er mußte in die Gegenwart zurückkehren, um seine Gefährtin nach dem Weg zu Miss Twittertons Cottage zu fragen.

2
Daunenbetten
    Fürs Brautbett aber, was taugt denn da,
Wovon noch nicht die Rede war?
    MICHAEL DRAYTON: EIGHTH NYMPHALL
     
    Das Cottage, das drei Mauern aus gelben und eine aus roten Ziegeln hatte wie so ein Puppenhaus von der häßlicheren Sorte, stand ein wenig außerhalb des Dorfs, so daß es vielleicht gar nicht so unvernünftig von Miss Twitterton war, ihre Besucher in scharfem, erregtem Ton aus einem der oberen Fenster nach ihrem Begehr und ihren ehrlichen Absichten zu fragen, bevor sie ihnen vorsichtig die Tür öffnete. Sie war eine zierliche, blonde, aufgeregte alte Jungfer in den Vierzigern, eingemummt in einen Morgenmantel aus rosa Flanell, in der einen Hand eine Kerze, in der andern eine große Tischglocke. Sie verstand gar nicht, was überhaupt los war. Onkel William habe nichts zu ihr gesagt. Sie wisse nicht einmal, daß er fort sei. Er gehe nie fort, ohne ihr Bescheid zu sagen. Er würde nie das Haus verkauft haben, ohne ihr etwas davon mitzuteilen. Sie ließ die Sicherheitskette vorgelegt, während sie diese Beteuerungen wiederholte, und hielt die Tischglocke fest in der Hand, um damit Alarm zu schlagen, sollte dieser merkwürdig aussehende Mensch mit dem Augenglas gewalttätig werden und sie nötigen, Hilfe herbeizurufen. Schließlich nahm Peter den letzten Brief von Mr. Noakes aus der Brieftasche (wohin er ihn beim Aufbruch in weiser Voraussicht für den Fall gesteckt hatte, daß es hinsichtlich der Vereinbarungen irgendwelche Meinungsunterschiede gab) und reichte ihn ihr durch den offenen Türspalt. Miss Twitterton nahm ihn vorsichtig, als wär’s eine Bombe, schlug Peter prompt die Tür vor der Nase zu und zog sich mit der Kerze ins vordere Zimmer zurück, um das Dokument in aller Ruhe zu studieren. Anscheinend fiel die Prüfung zu ihrer Zufriedenheit aus, denn als sie endlich wiederkam, öffnete sie die Tür weit und bat ihre Besucher ins Haus.
    »Ich bitte um Verzeihung«, sagte Miss Twitterton, während sie ihnen ins Wohnzimmer voranging, in dem es neben einer grünsamtenen Polstergarnitur und Nußbaummöbeln eine erstaunliche Vielfalt von Nippes zu bewundern gab, »daß ich Sie so empfangen habe – aber nehmen Sie doch bitte Platz, Lady Peter – ich hoffe, Sie werden mir beide mein Benehmen verzeihen – ach du meine Güte! – aber mein Haus steht ein wenig einsam, und es ist noch gar nicht lange her, daß in meinen Hühnerstall eingebrochen wurde – und wirklich, das Ganze ist so unerklärlich, daß ich kaum weiß, was ich davon halten soll – es ist wirklich sehr beunruhigend – so eigenartig von Onkel – und was Sie von uns beiden halten müssen, mag ich mir gar nicht vorstellen.«
    »Nur daß es ein schändliches Benehmen von uns ist, Sie um diese nachtschlafende Zeit aus dem Bett zu klopfen«, sagte Peter.
    »Es ist doch erst viertel vor zehn«, erwiderte Miss Twitterton mit einem mißbilligenden Blick auf die kleine Porzellanuhr in der Form eines Stiefmütterchens. »Das ist für Sie natürlich noch nicht spät – aber Sie wissen ja, wie wir es auf dem Lande mit der frühen Stunde halten. Um fünf muß ich aufstehen, um meine Hühner zu füttern, darum gehe ich selbst also buchstäblich mit den Hühnern zu Bett – außer wenn wir Chorprobe haben – das ist mittwochs, und so ein ungünstiger Tag für mich, wo doch donnerstags Markttag ist, aber es ist eben bequemer so für den lieben Herrn Pfarrer. Wenn ich natürlich auch nur die leiseste Ahnung gehabt hätte, daß Onkel William so etwas Ungewöhnliches tun würde, wäre ich dagewesen, um Sie ins Haus zu lassen. Wenn Sie noch fünf – oder vielleicht zehn Minuten warten möchten, damit ich mich ein bißchen schicklicher anziehen kann, würde ich gleich mitkommen da Sie, wie ich sehe, Ihr schönes Auto bei sich haben, könnte ich vielleicht –«
    »Bitte, bemühen Sie sich nicht«,

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