Hochzeit kommt vor dem Fall
getreten. Wir werden uns in Mäntel hüllen und einander nach der bewährten Art nächtlicher Reisender in einem schneereichen Lande wärmen. ›Wär ich an Grönlands Küste‹ und so weiter. Das heißt nicht, daß ich mit einer sechs Monate währenden Nacht rechne; schön wär’s ja; es ist schon Mitternacht vorbei.«
Bunter begab sich mit dem Kessel in der Hand nach oben.
Ein paar Minuten später sagte Ihre Ladyschaft: »Wenn du dieses Ding vielleicht mal aus dem Auge nähmst, könnte ich dir wenigstens den Nasenrücken säubern. Tut es dir eigentlich leid, daß wir nicht doch nach Paris oder Menton gefahren sind?«
»Nein und abermals nein. Hier sind wir von solider Wirklichkeit umgeben. Sie hat so etwas Überzeugendes an sich.«
»Mich beginnt sie jedenfalls zu überzeugen, Peter. So viele häusliche Katastrophen auf einmal können nur verheirateten Leuten zustoßen. Hier sieht man nichts von dem künstlichen Honigmondgeflitter, das die Leute im allgemeinen davon abhält, einander richtig kennenzulernen. Du bestehst die Prüfung der Drangsal bemerkenswert gut. Das ist sehr ermutigend.«
»Danke – aber ich wüßte wirklich nicht, was es hier besonders viel zu klagen gäbe. Ich habe dich, das ist die Hauptsache; ich habe zu essen, ein bißchen Wärme und ein Dach über dem Kopf. Was kann ein Mann sich mehr wünschen? – Außerdem hätte ich mir ungern Bunters Rede und Mrs. Ruddles Unterhaltung entgehen lassen – sogar Miss Twittertons Pastinakwein gibt dem Leben eine deutliche Würze. Vielleicht wäre mir etwas mehr warmes Wasser und weniger Öl am Körper lieber. Wenn Petroleum auch nichts ausgesprochen Weibisches an sich hat – ich bin nun einmal prinzipiell gegen Männerparfüm.«
»Ich finde, es ist ein netter, sauberer Geruch«, tröstete ihn seine Frau, »viel urwüchsiger als alle Puder der Welt. Und Bunter wird es schon von dir runterkriegen.«
»Hoffentlich«, sagte Peter. Er erinnerte sich, daß einmal jemand – eine Dame zudem, die zum Urteil reichlich Gelegenheit hatte – über » ce blond cadet de famille ducale anglaise «gesagt hatte, daß » il tenait son lit en Grand Monarque et s’y demenait en Grand Turc. «Das Schicksal hatte offenbar beschlossen, ihn aller Eitelkeiten bis auf eine zu entkleiden. Sollte es doch. Er konnte seine Schlacht nackt schlagen. Plötzlich mußte er lachen.
» Enfin, du courage! Embrasse-moi, chérie. Je trouverai quandmême le moyen de te faire plaisir. Hein? tu veux? dis donc! «
» Je veux bien. «
»Liebste!«
»Peter!«
»Entschuldige – habe ich dir weh getan?«
»Nein. Doch. Küß mich noch einmal.«
Irgendwann in den nächsten fünf Minuten hörte man Peter dann flüstern: »Kein schwacher Kanarienwein, sondern Ambrosia.« Und es ist bezeichnend für Harriets Gemütsverfassung, daß sie bei dem Wort »Kanarien« an die lahmen Tiger denken mußte und erst zehn Tage später auf die Quelle des Zitats stieß.
Bunter kam die Treppe herunter. In der einen Hand hielt er einen dampfenden Krug, in der andern eine Schale mit Rasierzeug und einen Beutel mit einem Badeschwamm. Über seinem Arm hingen Badetuch und Pyjama nebst seidenem Morgenmantel.
»Das Feuer im Schlafzimmer brennt zufriedenstellend. Ich konnte für Eure Ladyschaft ein wenig Wasser wärmen.«
Sein Gebieter machte ein furchtsames Gesicht.
»Doch was ist mir, mein Lieb, doch was ist mir?«
Bunter antwortete nicht mit Worten, aber sein Blick in Richtung Küche war beredt genug. Peter sah nachdenklich auf seine Fingernägel und schauderte.
»Madame«, sagte er, »geht Ihr zu Bett und überlaßt mich meinem Schicksal.«
Das Holz auf dem Rost flackerte fröhlich vor sich hin, und das Wasser kochte, wenn es auch nur wenig war. Die beiden messingnen Kerzenhalter trugen tapfer ihre flammenden Priesterinnen, beiderseits des Spiegels je eine. Das große Himmelbett mit dem verblaßten blau-roten Steppmuster und den von Alter und häufigem Waschen gebleichten Chintzvorhängen wirkte vor der hellen, gegipsten Wand so würdevoll wie eine königliche Hoheit im Exil. Harriet, gewärmt und gepudert und endlich vom Rußgeruch befreit, hielt mit der Haarbürste in der Hand inne und fragte sich, wie es Peter wohl erging. Sie huschte durch das dunkle, kalte Ankleidezimmer, öffnete die gegenüberliegende Tür und lauschte. Von irgendwo tief unten war das bedrohliche Scheppern von Blech zu hören, gefolgt von einem lauten Quietscher und halbersticktem Lachen.
»Mein armer Schatz!« sagte
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