Hochzeit kommt vor dem Fall
Ansichten?«
»Der römische Kragen und das Emblem auf der Uhrkette weisen nach oben. Du kennst doch meine Methoden, Watson. Aber die Noten für das Te Deum unterm Arm deuten darauf hin, daß die Sonntagsgottesdienste in der etabliert-anglikanischen Weise zelebriert werden; außerdem haben wir zwar die Kirchturmuhr Acht schlagen hören, aber keine Glocke hat zum täglichen Meßopfer gerufen.«
»Wie du auf so etwas nur achten kannst, Peter!«
»Bedaure«, antwortete ihr Gemahl, leicht errötend.
»Ich kann nun einmal nicht anders als meine Umwelt wahrnehmen, ganz gleich was ich tue.«
»Das wird ja immer schlimmer«, versetzte seine Angetraute. »Mrs. Shandy selbst wäre schockiert.« Unterdessen beeilte sich Miss Twitterton mit einer Erklärung:
»Heute abend ist Chorprobe, natürlich. Es ist ja Mittwoch. Die sind immer mittwochs. Sicher will er die Noten in die Kirche bringen.«
»Natürlich, Sie sagen es«, pflichtete Peter ihr genüßlich bei. »Chorproben sind immer mittwochs. Quod semper, quod ubique, quod ab omnibus. Auf dem englischen Lande ändert sich nie etwas. Harriet, dein Flitterwochenhaus ist ein Glückstreffer. Ich fühle mich zwanzig Jahre jünger.«
Er zog sich hastig vom Fenster zurück, als der Pfarrer näherkam, und deklamierte gefühlvoll:
» Nur ein Häuschen auf dem Lande, wo der Ruß der Jahre fällt,
Und sich zu des Morgens Krönung geistlicher Besuch einstellt!
Auch ich, Miss Twitterton, habe, ob Sie es glauben oder nicht, im Dorfchor Lieder von Maunder und Garrett geschmettert und des Dorfschmieds Töchterlein die von mir leicht abgewandelte Botschaft in den Nacken geblasen, daß die Rotte der Kriegerischen unter die Weidenmelker verstreut wird.«
»Ha!« machte Mr. Puffett. »Das ist gut, das mit den Weidenmelkern.«
Dann begab er sich, als ob das Wort »Ruß« ihn an etwas erinnert hätte, zögernd in Richtung Kamin. Der Pfarrer verschwand auf der Veranda.
»Mein lieber Peter«, sagte Harriet, »Miss Twitterton wird denken, wir wären beide total verrückt; und Mr. Puffett weiß es schon.«
»O nein, Mylady!« sagte Mr. Puffett. »Nicht verrückt. Nur glücklich. Ich kenne das Gefühl.«
»Unter Männern, Puffett«, sagte der Frischvermählte, »ich danke Ihnen für diese freundlichen und mitfühlenden Worte. Wohin sind Sie übrigens in die Flitterwochen gefahren?«
»Nach Herne Bay, Mylord«, antwortete Mr. Puffett.
»Großer Gott, ja! Wo George Joseph Smith seine erste Frau im Bad umgebracht hat. Darauf sind wir gar nicht gekommen! Harriet –«
»Ungeheuer!« sagte Harriet. »Tu dein Werk! Hier gibt es aber nur Sitzwannen.«
»Sehen Sie!« rief Miss Twitterton, auf das einzige Wort in dieser Unterhaltung eingehend, das sie verstanden zu haben schien. »Ich habe schon immer zu Onkel gesagt, daß er wirklich mal ein Bad einbauen lassen sollte.«
Ehe Peter weitere Beweise seiner Verrücktheit liefern konnte, kam gnädigerweise Bunter mit der Meldung herein:
»Hochwürden Simon Goodacre, Mylord.«
Der Pfarrer, hager, schon etwas älter, glattrasiert, mit ausgebeulten Taschen im »Priestergrauen«, aus dem der Tabaksbeutel herausschaute, und einem großen, aber säuberlich geflickten dreieckigen Triangel am linken Hosenbein etwa in Kniehöhe, näherte sich ihnen mit jener sanftmütigen Selbstsicherheit, die das Wissen um die geistliche Würde einem von Natur bescheidenen Menschen verleiht. Sein suchender Blick entdeckte Miss Twitterton in der sich ihm darbietenden Gruppe, und er begrüßte sie mit einem herzlichen Händedruck, wobei er gleichzeitig Mr. Puffetts Anwesenheit mit einem Kopfnicken und einem fröhlichen »Morgen, Tom« zur Kenntnis nahm.
»Guten Morgen, Mr. Goodacre«, antwortete Miss Twitterton in klagendem Tschilpton. »Ach du meine Güte, hat man Ihnen schon gesagt –?«
»O ja, man hat«, antwortete der Pfarrer. »Jedenfalls ist das eine Überraschung.« Er rückte seine Brille zurecht, strahlte unsicher um sich und wandte sich an Peter. »Ich fürchte, ich störe. Wie ich gehört habe, ist Mr. Noakes – äh –«
»Guten Morgen, Sir«, sagte Peter, weil er es besser fand, sich selbst vorzustellen, als auf Miss Twitterton zu warten. »Freut mich, Sie kennenzulernen. Mein Name ist Wimsey. Meine Frau.«
»Hier geht es leider noch ziemlich drunter und drüber«, sagte Harriet. Sie fand, daß Mr. Goodacre sich in den letzten siebzehn Jahren kaum verändert hatte. Er war ein wenig grauer geworden, ein wenig dünner, sein Anzug ein
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