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Hochzeit kommt vor dem Fall

Hochzeit kommt vor dem Fall

Titel: Hochzeit kommt vor dem Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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Orgel gab völlig den Geist auf.«
    »Das war so peinlich «, sagte Miss Twitterton. »Ich wußte gar nicht, was ich tun sollte.«
    »Solche Peinlichkeiten müssen Miss Twitterton um jeden Preis erspart bleiben«, sagte Peter, indem er seine Brieftasche zückte.
    »O je!« sagte der Pfarrer. »Das hatte ich aber nicht … Das ist wirklich sehr großzügig. Es ist einfach zu arg – Ihnen an Ihrem ersten Tag in unserer Gemeinde … Ich – wirklich – ich schäme mich fast, das – wie gütig – so eine große Summe – vielleicht möchten Sie einmal einen Blick auf das Konzertprogramm werfen? Meine Güte!« Ein kindliches Strahlen erhellte sein Gesicht. »Wissen Sie, daß es schon eine ziemliche Weile her ist, seit ich zum letzten Mal einen richtigen Geldschein der Bank von England in der Hand gehabt habe?«
    Für die Dauer eines Augenblicks sah Harriet alle Anwesenden wie erstarrt im Banne des Stückchens Papier, das zwischen den Fingern des Pfarrers knisterte. Miss Twitterton stand mit ehrfürchtig aufgerissenem Mund da; Mr. Puffett, den Schwamm in der Hand, hielt mitten in seinem Tun inne; Crutchley, der mit der Trittleiter auf der Schulter gerade aus dem Zimmer gehen wollte, warf den Kopf herum, um das Wunder zu bestaunen; Mr. Goodacre selbst lächelte vor Aufregung und Freude; Peter stand halb belustigt, halb verlegen da, wie ein guter Onkel, der den Kindern einen Teddybär mitgebracht hat; wie sie so alle miteinander dastanden, hätte man sie für das Umschlagbild eines Kriminalromans photographieren können: Banknoten in der Pfarrei.
    Dann sagte Peter obenhin: »Ach was, keine Ursache.«
    Er nahm das Konzertprogramm, das der Pfarrer hatte fallen lassen, als er nach dem Geldschein griff, und die Erstarrung löste sich, als ob ein Film weiterliefe. Miss Twitterton hüstelte geziert, Crutchley ging aus dem Zimmer, Mr. Puffett ließ den Schwamm in die Gießkanne fallen, und der Pfarrer steckte behutsam die Zehnpfundnote in die Tasche und trug die Höhe der Spende in ein schwarzes Notizbüchlein ein.
    »Das wird ja ein großartiges Konzert«, sagte Harriet, die ihrem Gatten über die Schulter sah. »Wann ist es? Werden wir da noch hier sein?«
    »Am 27. Oktober«, sagte Peter. »Wir kommen natürlich. Ganz bestimmt.«
    »Natürlich«, bekräftigte Harriet und lächelte den Pfarrer an.
    Sie hatten sich dann und wann schon alle möglichen phantastischen Vorstellungen von ihrem Eheleben mit Peter gemacht, doch der Besuch eines Dorfkonzerts war darin nie vorgekommen. Aber natürlich würden sie hingehen. Sie verstand jetzt, warum er trotz all seiner Maskeraden, seiner weltgewandten Anpassungsfähigkeit, seiner merkwürdigen seelischen Reserviertheit und Sprunghaftigkeit so eine beständige Atmosphäre der Verläßlichkeit um sich verbreitete. Er war Teil einer geordneten Gesellschaft, daher kam das. Mehr als alle Freunde aus ihrer eigenen Welt sprach er die vertraute Sprache ihrer Kindheit. In London konnte jedermann jederzeit alles und jedes tun oder sein. Im Dorf aber – in jedem Dorf – war ein jeder unverrückbar er selbst: Pfarrer, Organist, Schornsteinfeger, Herzogssohn und Arzttochter, und alle bewegten sie sich wie Schachfiguren auf den ihnen zugewiesenen Feldern. Sie fühlte sich sonderbar erregt. »Ich habe England geheiratet«, dachte sie, und ihre Finger spannten sich um seinen Arm.
    England, von seiner symbolischen Bedeutung nichts ahnend, antwortete mit einem sanften Druck des Ellbogens.
    »Hervorragend«, rief er begeistert. »Klaviersolo: Miss Twitterton – das dürfen wir um keinen Preis versäumen. Liedvortrag von Pfarrer Simon Goodacre: » Hybrias der Kreter.« Das ist so recht etwas für harte Männer, Herr Pfarrer. Volks- und Seemannslieder, dargeboten vom Chor … «
    (Er verstand die Liebkosung seiner Frau als Zustimmung zu seiner Würdigung des Programms. Und in der Tat waren ihre Gedanken nicht sehr weit auseinander, denn er dachte: ›Wie diese alten Knaben sich selbst doch stets treu bleiben! »Hybrias der Kreter!« Als ich noch ein Junge war, sang der Pfarrer immer: »Mit meinem guten Schwerte pflüge, ernte, säe ich« – und dabei hätte dieser liebenswerte Mensch nie einer Fliege etwas zuleide getan … Merton, glaube ich, oder war es Corpus Christi? … mit einem Bariton, der größer war als sein ganzer Körper … er war in unsere Gouvernante verliebt …‹)
    »Shenandoah« – »Rio Grande« – »Tief in Demerara«. Er sah sich in dem staubdeckenverhüllten Zimmer

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