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Hochzeit kommt vor dem Fall

Hochzeit kommt vor dem Fall

Titel: Hochzeit kommt vor dem Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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Twitterton, mit Wärmflasche und Kopfwehtablette wohlversorgt, auf dem Ehebett liegen und ging leise ins Nebenzimmer, wo ihr Herr und Gebieter sich gerade das Hemd über den Kopf zog. Sie wartete, bis sein Gesicht wieder zum Vorschein kam, dann sagte sie: »Na?«
    »Na? Alles klar?«
    »Besser jetzt. Was tut sich unten?«
    »Sellon hat vom Postamt aus angerufen, und der Polizeidirektor kommt mit dem Polizeiarzt aus Broxford. Darum bin ich heraufgekommen, um mich in Schlips und Kragen zu werfen.«
    Natürlich, dachte Harriet, im stillen belustigt. In unserm Haus ist jemand gestorben, also ziehen wir Schlips und Kragen an. Nichts könnte näherliegen. Wie komisch die Männer doch sind! Und wie raffiniert sie sich mit einem Schutzpanzer zu umgeben verstehen! Was für eine Krawatte wird es sein? Schwarz wäre sicherlich übertrieben. Ein stumpfes Violett oder ein unaufdringliches Tüpfelmuster? Nein – eine Regimentskrawatte! Passend wie sonst nichts. Rein offiziell und zu nichts verpflichtend. Vollendet albern und bezaubernd.
    Sie glättete das Lächeln von ihren Lippen und beobachtete den feierlichen Umzug der persönlichen Siebensachen aus den Taschen des Blazers an die entsprechenden Stellen in Jackett und Weste.
    »Ärgerlich ist das alles«, bemerkte Peter. Er setzte sich auf den Rand des leeren Bettgestells, um die Pantoffeln gegen ein Paar braune Schuhe zu vertauschen. »Es geht dir aber hoffentlich nicht allzu nahe, oder?« Seine Stimme klang ein wenig gequetscht vom Bücken, weil er sich gerade die Schuhe zuband.
    »Nein.«
    »Es hat ja wenigstens nichts mit uns zu tun. Ich meine, er wurde nicht des Geldes wegen umgebracht, das wir ihm gezahlt haben. Er hatte noch alles in der Tasche. Bar.«
    »Du meine Güte!«
    »Es dürfte kaum zu bezweifeln sein, daß er damit verduften wollte, als ihm dabei jemand in die Quere kam. Ich kann nicht behaupten, daß es mir persönlich besonders leid um ihn tut. Dir vielleicht?«
    »Keineswegs. Es ist nur –«
    »Hm? … Also doch. Hol’s der Teufel!«
    »Nicht so. Nur wenn ich mir vorstelle, daß er die ganze Zeit da unten im Keller lag. Ich weiß, es ist vollkommen idiotisch von mir – aber ob ich will oder nicht, ich wünschte, wir hätten nicht in seinem Bett geschlafen.«
    »Genau das hatte ich gefürchtet.« Er stand auf, blieb am Fenster stehen und sah hinaus über die Wiesen und Wälder, die sich hinter dem Weg ins Tal senkten. »Trotzdem – weißt du, dieses Bett muß schon fast so alt sein wie das Haus – die Originalteile zumindest. Es könnte dir so manche Geschichte von Geburt und Tod und Hochzeitsnächten erzählen. Vor diesen Dingen gibt es kein Entrinnen – dazu müßte man schon in einer nagelneuen Villa wohnen und sich seine Möbel in der Tottenham Court Road kaufen … Trotzdem, ich gäbe Gott weiß was darum, wenn das nicht passiert wäre. Ich meine, wenn dir bei dem Gedanken daran jedesmal unbehaglich wird –«
    »O nein, Peter, das nicht! So habe ich das nicht gemeint. Es ist nicht so, als ob … Ich meine, es wäre etwas anderes, wenn wir auf andere Weise hierhergekommen wären –«
    »Genau das ist der springende Punkt. Wenn ich zum Beispiel mit irgendeiner Frau, an der mir nicht für zwei Penny liegt, hierhergekommen wäre, um mich zu amüsieren, käme ich mir jetzt vor wie ein vollendetes Ferkel. Gegen jede Vernunft, das weiß ich, aber ich kann genauso unvernünftig sein wie jeder andere, wenn ich mir Mühe gebe. Wie die Dinge jedoch liegen – nein! Du und ich, wir haben beide nichts getan, was eine Verunglimpfung des Todes wäre – höchstens wenn du so dächtest, Harriet. Ich meine, wenn es etwas gibt, was hier die stickige Atmosphäre reinigen kann, die dieser unselige Alte hinterlassen hat, dann sind es die Gefühle, die wir – die zumindest ich für dich hege, und du für mich, wenn du ebenso empfindest. Was mich betrifft, so kann ich dir versichern, daß daran nichts Triviales ist.«
    »Das weiß ich. Du hast ja auch vollkommen recht. Ich werde es nicht mehr so sehen. Peter – es waren doch – keine Ratten im Keller?«
    »Nein, mein Schatz. Keine Ratten. Und völlig trocken. Es ist eben ein hervorragender Keller.«
    »Da bin ich aber froh. Irgendwie habe ich immerzu an Ratten gedacht. Ich glaube zwar nicht, daß es einem noch etwas anhaben kann, wenn man erst tot ist, aber alles andere stört mich nicht annähernd so sehr, wie wenn ich mir auch noch Ratten vorstellen müßte. Es macht mir jetzt eigentlich gar nichts aus. Nicht

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