Hochzeit kommt vor dem Fall
los:
»Wie sieht er denn aus, George? Kannst du uns nicht mal ’nen Blick darauf werfen lassen?«
»Hört euch mal Katie an!« rief der Mann mit der Leidensmiene, während der Wirt den Kopf schüttelte. »Kann keinen Mann in Ruhe lassen, tot oder lebendig.«
»Tun Sie bloß nicht so, Mr. Puddock!« sagte Katie, und es wurde wieder gelacht. »Sie sind bei den Geschworenen, nicht? Sie haben einen Logenplatz umsonst.«
»Wir brauchen uns die Leiche heutzutage nicht mehr anzusehen«, verbesserte Mr. Puddock sie. »Nur wenn wir wollen. Da kommt George Lugg; fragt lieber mal ihn.«
Der Leichenbestatter kam aus dem Hinterzimmer, und aller Augen wandten sich ihm zu.
»Wann ist die Beerdigung, George?«
»Freitag«, sagte Mr. Lugg. Er bestellte sich einen Krug Bitterbier und sagte zu dem jungen Mann, der hinter ihm herauskam, die Tür abschloß und den Schlüssel Mr. Gudgeon überreichte:
»Geh du besser schon mal vor, Harry. Ich komme gleich nach. Wir wollen nach der Verhandlung den Sarg schließen. Bis dahin hält er sich noch.«
»Ja«, sagte Harry. »Es ist ja kalt und trocken.« Er bestellte ein kleines Glas Bier, trank es rasch aus und verließ mit den Worten: »Bis gleich dann, Dad«, die Gaststube.
Der Leichenbestatter war sofort Mittelpunkt eines kleinen Zuhörerkreises; alle waren begierig darauf erpicht, Einzelheiten geschildert zu bekommen. Bald ließ sich die Stimme der unbezähmbaren Mrs. Hodges vernehmen:
»Und wie Martha Ruddle sagt, haben die am wenigsten verloren, bei denen er nicht Kunde war.«
»Ha!« sagte ein Mann mit rötlichem Haarkranz und schlauem Blick. »Ich hatte schon immer meine Zweifel. Zu viele Eisen auf einmal im Feuer, denk ich. Nicht daß ich mich groß beklagen müßte. Ich laß nie über den Monat hinaus anschreiben, und ich hab mein Geld gekriegt – mal abgesehen von der Speckseite, wegen der er Theater gemacht hat. Aber das ist genau wie mit Hatry und all den andern großen Firmen, die pleite gehen – man nimmt hier Geld raus und steckt’s da rein, bis man überhaupt nicht mehr genau weiß, wo man welches hat.«
»Stimmt«, sagte der Einäugige. »Immer hat er irgendwo investiert. Er wollte einfach zu schlau sein.«
»Und so geschäftstüchtig war er«, sagte Mrs. Hodges.
»Wißt ihr noch, wie er meiner armen Schwester mal so ein bißchen Geld geliehen hat? Grausam war das, was sie ihm hat bezahlen müssen. Und dann hat er sie gezwungen, ihr ganzes Mobiliar zu verpfänden.«
»Na ja, an den Möbeln hat er nicht viel verdient«, sagte der mit dem rötlichen Haar. »War ein Hundewetter an dem Tag, als die Versteigerung war. Die war bei Tom Dudden drüben in Pagford, und kein Mensch war da, nur die Händler.«
Ein sehr alter Mann mit langem, grauem Backenbart ließ zum erstenmal seine Stimme ertönen:
»Unrecht Gut gedeihet nicht. Das steht schon in der Bibel. Denn er hat unterdrückt und verlassen den Armen; er hat Häuser an sich gerissen, die er nicht erbaut hat – ha! Und die Möbel auch – darum wird sein gutes Leben keinen Bestand haben. Wenn er auch die Fülle genug hat, wird ihm doch angst werden – stimmt’s nicht, Mr. Gudgeon? – Flieht er den eisernen Harnisch – ja, ja – aber das Fliehen nützt ihm nichts, wenn die Hand Gottes gegen den bösen Menschen ist. Ein Fluch liegt auf ihm, und wir haben erlebt, daß er in Erfüllung ging. War da nicht heute morgen ein Herr aus London mit einem Zahlungsbefehl für ihn? In derselben Grube, die er für andere gegraben hatte, ist er selbst mit dem Fuß steckengeblieben. Es soll der Wucherer alles fordern, was er hat – so steht’s geschrieben – Ha! Seine Kinder sollen umherirren und betteln –«
»Na, na, Alter!« sagte der Wirt, als er sah, wie der alte Herr sich hineinsteigerte. »Er hat ja keine Kinder, Gott sei Dank.«
»Stimmt«, sagte der Einäugige, »aber eine Nichte hat er. Ein schöner Abstieg für Aggie Twitterton. Dabei saß sie immer so auf dem hohen Roß, weil sie meinte, daß sie mal Geld haben wird.«
»Na ja«, sagte Mrs. Hodges, »die sich immer für was Besseres halten als andere Leute, die verdienen ja nur, daß sie enttäuscht werden. Ihr Vater war doch letzten Endes nichts anderes als Ted Bakers Kuhhirte, und ein dreckiges, lautes Schandmaul obendrein, wenn er betrunken war, darauf braucht man wirklich nicht stolz zu sein.«
»Richtig«, sagte der Alte. »Und ein Schläger. Seine arme Frau hat er geprügelt, das war grausam.«
»Wenn man einen Menschen wie Dreck
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