Hochzeit mit Hindernissen
feststellte, dass Heather auf dem Stuhl vor dem Fenster saß.
Gegen Mittag kam Renato zu Besuch. “Lorenzo kommt heute Abend, Mamma”, berichtete er seiner Mutter, doch sein Blick galt einzig Heather.
“Ich brauche dringend eine Tasse Kaffee”, sagte sie verlegen und ging aus dem Raum. Doch bevor Renato das Krankenhaus verließ, fing er sie ab.
“Du hattest natürlich recht”, gestand er rundheraus. “Die Nachricht, dass Lorenzo zurückkommt, hat sie unheimlich erleichtert. Im Gegensatz zu dir, nehme ich an.”
“Hier geht es einzig und allein um Mamma”, erwiderte Heather schroff. “Meine Gefühle spielen im Moment nicht die geringste Rolle.”
“Genau darüber würde ich mich gern mit dir unterhalten …”
“Ich wüsste nicht, welchen Sinn das jetzt noch haben sollte.”
“Immerhin hat sich seit gestern einiges verändert”, wandte Renato unsicher ein.
“Keine Sorge”, widersprach Heather umgehend. “Solltest du dabei an
Bella Rosaria
denken, kann ich dich beruhigen. Bevor ich nach England zurückkehre, mache ich die Schenkung rückgängig.”
“Ich dachte eher an etwas anderes …”
“Und ich dachte, ich hätte mich klar genug ausgedrückt”, unterbrach Heather ihn. “Jetzt entschuldige mich bitte. Ich will deine Mutter nicht warten lassen.”
Je näher der Abend rückte, desto unruhiger wurde Baptista. “Lorenzo kommt sicherlich bald”, versicherte Heather.
“Und du willst wirklich nicht vorher gehen?”, erkundigte sich ihre mütterliche Freundin besorgt. “Ich wäre die Letzte, die das nicht verstehen würde.”
“Vermeiden lässt sich das Wiedersehen ohnehin nicht”, erwiderte Heather, “und je eher ich es hinter mir habe, desto besser.”
“Du bist eine außergewöhnlich tapfere Frau.”
“Offen gesagt frage ich mich selbst, woher ich die Kraft nehme”, gestand Heather. “Schließlich dachte ich noch bis gestern, nicht nur den Mann fürs Leben, sondern endlich auch ein Zuhause gefunden zu haben.”
“Das kann ich dir genau sagen”, erwiderte Baptista. “Die Insel gibt dir die Kraft. Sie ist die Heimat, nach der du suchst. Das ist mir spätestens an jenem Tag klar geworden, als wir gemeinsam in
Bella Rosaria
waren. Und wenn du ehrlich zu dir selbst bist, musst du mir recht geben. Also vergiss Lorenzo und genieße, dass du hier bist.”
Einen Moment lang war Heather versucht, Baptista zuzustimmen. Der Gedanke hatte etwas unendlich Verlockendes, und es war ja auch nicht zu bestreiten, dass sie sich nie zuvor so im Einklang mit sich selbst gefühlt hatte wie in den wenigen Wochen auf Sizilien.
Trotzdem verbot sich der Gedanke zu bleiben von selbst. Der Schock der Ereignisse hatte sie gegen die Schmerzen immun gemacht. Doch irgendwann würde er nachlassen, und bis dahin sollte sie die Insel tunlichst verlassen haben. In London würde sie ihr inneres Gleichgewicht am ehesten wiederfinden. Selbst wenn es sehr, sehr lange dauern würde.
“Als Engländerin gehöre ich nun mal nach England”, antwortete sie endlich.
“Du gehörst zu uns”, widersprach Baptista bestimmt. “Und wenn das eine alte Sizilianerin sagt, kannst du es getrost glauben.”
Ehe Heather etwas einwenden konnte, ging die Tür auf, und Lorenzo betrat das Zimmer. Baptista stieß einen Freudenschrei aus, und nur Augenblicke später lagen sich Mutter und Sohn in den Armen.
Heather stand auf und verließ das Zimmer, um den beiden Gelegenheit zu geben, sich auszusprechen. Doch sobald sie auf dem Flur war, drohten sie die Gefühle zu überwältigen. Offensichtlich war sie noch nicht in der Lage, Lorenzo gegenüberzutreten, ohne das ganze Ausmaß der Schmerzen zu empfinden, die er ihr zugefügt hatte.
“Heather!” Unvermittelt stand Renato an ihrer Seite. Als sie aufsah, blickte sie in sein besorgtes Gesicht. “Was ist passiert?”
“Lorenzo ist eben gekommen”, erwiderte sie leise. “Ich habe ihn mit eurer Mutter allein gelassen.”
“Geht es dir nicht gut?”, erkundigte er sich.
“Wundert dich das?” Heather erhob sich und schenkte Renato ein geringschätziges Lächeln. “Ich fahre jetzt nach Hause. Gute Nacht.”
Schweren Herzens musste Heather einsehen, dass es keine gute Idee gewesen war, sich auf die Terrasse zu setzen.
Das milde Licht des Vollmondes, das sich im Meer spiegelte und es mit einem silbernen Schimmer überzog, erinnerte sie schmerzlich daran, dass sie zu dieser Stunde eigentlich mit ihrem frisch angetrauten Ehemann auf der Jacht ihre Hochzeitsnacht verbringen
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