Hochzeitsglocken zum Fest der Liebe
Miss. Ich stamme von hier und kenn mich aus.“
Hal nahm die Zügel auf, George sprang hinten auf den Wagen, und los ging es in munterem Trab durch eine sanft gewellte Hügellandschaft. Der Besitz musste größer sein, als sie angenommen hatte, denn es dauerte eine ganze Weile, ehe sie auf der öffentlichen Straße fuhren.
Anfangs herrschte kaum Verkehr, nur hier und da ein einsamer Reiter oder ein Bauer mit seinem Karren, doch als sie sich der Stadt näherten, änderte sich das.
„Ach, ich hatte ganz vergessen – heute ist Markttag. Aber das wird es für Sie umso interessanter machen, Jo“, sagte Hal.
Sie stimmte ihm zu und sah sich freudig erregt um, während sie durch vor Betriebsamkeit wimmelnde Straßen dem ‚Duke’s Head‘ entgegenratterten, wo Hal ihr vom Wagen half.
Jo bedankte sich bei ihm, dann machte sie sich, von George geführt, zuerst zum Marktplatz auf. Trotz des Gedränges und der erstaunlich vielen Verkaufsstände fand sie bald einen Händler, der gute, aber preiswerte Stoffe und Nähbedarf führte. Sie hatte beschlossen, sich ein Kleid zu nähen, um ihre spärliche Garderobe aufzustocken, und wählte einen weichen dunkelgrünen Wollstoff und das nötige Zubehör aus. Mit Spitze und Seidenborte versehen, würde das Gewand stilvoll, aber nicht überelegant werden, genau richtig für das Leben, das sie nun führte. Es hatte keinen Sinn, teure Seide zu erwerben, wenn sie keine gesellschaftlichen Verpflichtungen wahrnehmen musste.
Nachdem das erledigt war, bat sie George, sie zu einer Näherin zu führen, bei der sie hoffte, das hochwertigere Material zu finden, das Ellen für ihre Arbeiten benötigte. Getreulich ging George ihr durch die Menschenmenge voran, doch an einer Bude stieß sie beinahe mit einem ihr entgegenkommenden Herrn zusammen. Aufblickend erkannte sie den Mann, der ihr bei jeder Begegnung erneut einen Schauer über den Rücken laufen ließ – Mr. Carstairs! Sollte er ihr bis hierher gefolgt sein? Aber nein, er musste in der Gegend zu tun haben. Vorgestern hat er doch Hal besucht, erinnerte sie sich. Aber warum warf er ihr einen so unangenehmen Blick zu? Sich innerlich schüttelnd, eilte sie rasch ihrem Führer hinterher, der bald schon vor einem an der Hauptstraße gelegenen Schneidergeschäft anhielt.
„George“, bat sie, „wollen Sie so freundlich sein, und diese Sachen besorgen?“ Sie reichte ihm eine Liste mit Haushaltsbedarf, die Mrs. Stowe ihr anvertraut hatte. „Ich werde hier eine Weile zu tun haben. Anschließend können wir uns am ‚Duke’s Head‘ treffen. Den Weg dorthin finde ich allein, und ich denke, hier auf der Hauptstraße wird mich niemand belästigen.“
George, der eine Vorliebe für seinen Schützling gefasst hatte, übernahm die Aufgabe gern und machte sich auf den Weg, während Jo den nicht besonders großen Laden betrat, der dennoch die von Ellen benötigten Materialen wie feines Seidengarn und Stickperlen in vielen Farben und Größen führte. Nachdem sie ihren Kauf getätigt hatte, trug sie der Besitzerin ihr Anliegen vor.
Die Dame interessiert sich nicht nur für Ellens Stickereien und bat um eine Probe ihrer Kunst, sondern war sogar bereit, auch von Jo Arbeiten anzukaufen, nachdem sie nämlich deren Hütchen bewundert und erfahren hatte, dass es von Jo selbst gefertigt worden war.
Als Mengen und Lieferbedingungen ausgemacht waren, eilte Jo beglückt zu dem Kurzwarenhändler nebenan und erwarb die nötigen Utensilien für ihre Arbeit. Dann steuerte sie beschwingten Schrittes auf das Gasthaus zu und ließ sich in den von Hal reservierten Privatsalon führen, wo sie, glücklich, an diesem Tag so viel erreicht zu haben, in einen Sessel am Feuer sank.
„So versunken?“
Jo fuhr aus ihren Gedanken auf und wandte sich um, als sie Hals Stimme hörte. Sie schenkte ihm ein strahlendes Lächeln, das ihr Gesicht ungemein verschönte – viel mehr als sie ahnte –, sodass er ihr einen Moment so tief in die Augen sah, dass ihr Herz einen Sprung tat.
„Ist etwas, Hal?“, fragte sie verwirrt.
„Nein, nein“, wehrte er ab, sich wieder fassend. „Nun, hatten Sie einen hübschen Vormittag?“
„Ja, wahrhaftig. Nur bis zur Poststation bin ich nicht mehr gekommen. Sie liegt so weit die Straße hinunter, und ich fürchtete, Sie warten zu lassen.“
„Wie gut, dass ich dort war.“ Er zog zwei Briefe aus der Tasche und reichte sie ihr. „Die sind für Sie, Jo. Ich hoffe, was Sie sonst vorhatten, konnten Sie erledigen.“
„Oh, danke!“,
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