Hochzeitsstrudel und Zwetschgenglück: Roman (German Edition)
gebracht. Sie war heute genug unterwegs gewesen.
Ich war froh, dass ich das Gespräch mit Stefan hinter mir hatte. Doch die Hochzeit abzusagen war ein Kinderspiel gegen das, was mir jetzt bevorstand.
Die Haustür stand offen, und ich hörte Musik aus der Küche.
»Darf ich reinkommen?«
»Hanna!«, rief Tante Luise. Oder einfach nur Luise, ohne Tante, nachdem, was ich jetzt wusste. »Da musst du doch nicht fragen!«
Sie walkte einen Batzen Teig auf der großen hölzernen Arbeitsplatte in der Mitte des Raumes.
»Ich muss mit Max sprechen. Ist er da?«, fragte ich und versuchte gute Laune vorzuspielen. Sie schien es mir abzunehmen.
»Der ist gerade eben zum Baumarkt. Müsste aber bald wieder da sein. Magst du einen Kaffee?«
Kaffee wäre jetzt sicher nicht verkehrt.
»Gerne.«
Sie wusch sich die Hände, drehte das Radio aus und schenkte aus einer gläsernen Kanne ein.
»Den habe ich vorhin frisch aufgebrüht.«
Sie wusste, dass ich ihn immer schwarz trank, und reichte mir den Kaffeebecher.
»Danke.«
Ich nahm die Tasse in die Hand und atmete das milde Aroma ein, das mich sofort belebte. Die Küche von Tante … von Luise war ein Ort, an dem ich mich schon immer wohl gefühlt hatte. Und auch jetzt merkte ich, wie die Anspannung der letzten Stunden ein wenig nachließ. Der lichtdurchflutete Raum war groß und mit hellen Möbeln eingerichtet, die ländlich, aber nicht zu rustikal wirkten. An den Fenstern hingen sonnengelbe Vorhänge, und in der Mitte des Fensterbretts standen Töpfchen mit Kräutern, die vor allem der Dekoration dienten, da es auf dem Hof ein großes Gewächshaus für Gemüse, Salat und alle möglichen Kräuter gab.
»Heute gibt es Zwetschgenstrudel, nach dem Rezept deiner Oma«, erklärte Luise und machte sich wieder an die Arbeit.
Meiner Oma? … Tja. Inzwischen wusste ich, warum Berta mich nie leiden mochte. Irgendwie war es eine Erleichterung, dass ihre Antipathie mir gegenüber in der fehlenden biologischen Vaterschaft ihres Sohnes und nicht an mir persönlich lag. Ich ging sogar davon aus, dass sie mich gemocht hätte, wenn ich die echte Tochter ihres Sohnes gewesen wäre. Zumindest wünschte ich es mir.
»Mit eingeweckten Zwetschgen?«, fragte ich höflich, weil ich merkte, dass Luise auf meine Reaktion wartete.
»Ja. So wie sie ihn immer gemacht hat. Es sind die letzten Gläser vom vergangenen Jahr«, erklärte Luise und nickte in Richtung der zwei großen Weckgläser auf der Anrichte. »Da war sie noch am Leben.«
Es war tatsächlich ein besonderes Rezept, bei dem es sich eigentlich um einen Zwetschgen-Rahmstrudel handelte. Nur eben nicht mit frischen, sondern mit eingelegten Früchten.
»Soll ich dir helfen?«, fragte ich plötzlich. Irgendwie hatte ich das Bedürfnis, etwas zu tun, bei dem ich nicht nachdenken musste.
»Gerne … du kannst ein paar Äpfel schälen. Du weißt ja …«
»… dass Max keine Zwetschgen mag«, beendete ich den Satz für sie, und wir lächelten uns wissend an.
Luise füllte für ihren Sohn immer einen Strudelteig mit hauchdünn geschnittenen Äpfeln und setzte ihn in die Mitte der Bratraine. Während Luise den Teig auswalkte und ihn dann vorsichtig so dünn auseinanderzog, dass man dadurch fast die Zeitung hätte lesen können, schnippelte ich die Äpfel in eine Schüssel.
»Freust du dich auf deine Hochzeit mit Stefan?«, fragte sie mich plötzlich.
Ich hielt kurz inne und war versucht, ihr mein Herz auszuschütten. Aber dann ließ ich es. Ich wollte jetzt nicht darüber reden müssen. Außerdem sollte Max es zuerst erfahren.
»Naja«, sagte ich deswegen unverbindlich.
Luise schaute mich an. »Stefan ist nicht verkehrt.«
Mehr sagte sie nicht. Natürlich ahnte auch sie, dass die Ehe – wenn sie denn am Freitag geschlossen werden würde – nicht von Dauer sein würde.
»Was ich die ganze Zeit vergessen habe, Tante Luise«, sagte ich, und das Wort Tante rutschte mir mit der Macht der Gewohnheit heraus, »herzlichen Dank für die tolle Überraschungsparty zu meinem Geburtstag. Das war wirklich total lieb von dir.«
»Schön, dass es dir gefallen hat, Hanna. Aber das war Max’ Idee, und er hat sich bis auf den Kuchen um alles gekümmert.«
»Max hat das gemacht?«, fragte ich völlig perplex.
»Ich dachte, du wusstest das«, sagte sie.
»Nein. Das wusste ich nicht.« Nach dem ganzen Streit in der letzten Zeit hätte ich nicht damit gerechnet, dass Max mir so eine Freude bereiten wollte.
Wir arbeiteten schweigend weiter. Sie
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