Hochzeitsstrudel und Zwetschgenglück: Roman (German Edition)
verschwanden die Männer. Ich ging ins Haus.
»Das ist jetzt nicht dein Ernst, oder?«, fragte Max, der mir gefolgt war.
Ich hob einen Packen Kuverts auf, die unter dem Briefschlitz der Haustür am Boden lagen.
»Nein.«
»Was jetzt?«
Ich ging in die Stube und legte die Briefe auf den Tisch. Dann drehte ich mich um zu Max.
»Ich war noch nicht auf dem Standesamt. Bist du jetzt beruhigt?«
Er verschränkte die Arme vor seiner Brust.
»Wer ist dieser Motorradtyp, der hier auf dem Hof war?«
»Das ist Willy.«
»Hanna!«
»Drück dich doch etwas genauer aus, dann bekommst du auch vernünftige Antworten.«
Ich setzte mich an den Tisch und begann die Kuverts zu öffnen. Bis auf einen Brief von der Bank mit Kontoauszügen waren es lauter Schreiben von Heiratsbewerbern.
Max setzte sich ebenfalls und atmete tief ein.
»Na gut. Wer ist der Mann, der mit seinem Motorrad hier auf dem Hof war und beim Brunnenwirt übernachtet? Du warst gestern mit ihm im Regen spazieren und bist anschließend mit ihm im Auto weggefahren.«
Ich musste lachen. Das war jetzt mal wirklich genau.
»Sag mal, beobachtest du mich heimlich?«
»Vielleicht hast du es in deiner Zeit in München vergessen, aber hier auf dem Land wissen die Leute schon, dass du weggefahren bist, bevor du überhaupt den Zündschlüssel umgedreht hast.«
Das war tatsächlich nur ganz leicht übertrieben.
»Dieser Mann heißt Alex und hat sich nach dem Aufruf im Weinzelt bei mir gemeldet. Welchen ich, nur mal so nebenbei bemerkt, dir zu verdanken habe. Er ist Landwirt in Oberbayern und möchte gerne heiraten.« Das Irgendwann verschwieg ich Max.
»Ich habe dir schon mehrmals gesagt, dass ich mit dieser Sache im Weinzelt nichts zu tun habe!«, protestierte er.
»Ja, ja … und Katzen können bügeln.«
»Willst du ihn heiraten?« Die Frage kam plötzlich sehr leise.
Ich blickte gerade auf das Foto eines der Heiratsbewerber. Und war verblüfft. Den kannte ich doch!
»Keine Ahnung. Vielleicht nehm ich auch den hier. Was meinst du?« Ich schob ihm das Schreiben mit dem Bild hin.
»Das ist doch der Wimmer Steff!«, rief Max erstaunt. Es war tatsächlich Stefan, der Brunnenwirt.
»Ich weiß nicht, wen ich heiraten werde, Max. Aber bei den vielen Bewerbern ist es keine Frage mehr, ob ich heiraten werde. Das werde ich. Und zwar rechtzeitig.«
Ich lächelte ihn an. Erstaunlicherweise lächelte er zurück.
»Das wollen wir erst einmal sehen!«
Ich seufzte.
»Was willst du eigentlich schon wieder hier?«, fragte ich ihn.
»Natascha heiratet, und du bist eingeladen.«
»Natascha?« Ich schaute ihn fragend an. Wer war das denn?
»Natascha! Die Tochter von der Zacher Zenz natürlich«, erklärte er in einem Tonfall, als ob ich vergessen hätte, dass München die Landeshauptstadt von Bayern ist. Und jetzt fiel der Groschen tatsächlich.
Zenta Zacher, von allen nur die Zacherin oder Zacher Zenz genannt, lebte in einem Häuschen am Ortsrand von Halling. Sie war eine Verwandte von Max’ Vater und schon immer eine sehr ungewöhnliche Frau gewesen, die optisch gesehen in der Flower-Power-Zeit hängengeblieben war. Sie verkaufte in einem kleinen Laden, eigentlich war es mehr ein kleiner Schuppen hinter ihrem Haus, Kräuter und Tees. Dazu gab es für jeden, der es hören oder auch nicht hören wollte, kostenlose Lebensweisheiten dazu. Außerdem war die Zacherin eine weit über den Landkreis hinaus bekannte Kartenlegerin, mit einem ordentlichen Kundenstamm, der bereit war, einen noch ordentlicheren Batzen Geld für einen Blick in die Zukunft hinzulegen. Finanziell gesehen war die Zacherin weich gebettet.
Doch nie hatte man einen Mann an ihrer Seite gesehen. Und als sie mit fünfundvierzig Jahren schwanger wurde, hatte es allerlei Gerüchte um die mögliche Vaterschaft gegeben.
Natascha, ihre Tochter, war fünf Jahre alt gewesen, als ich mit meiner Mutter nach München gezogen war. Ich konnte mich noch gut an sie erinnern, weil meine Mutter sich immer wieder mal bei der Zenta die Karten hatte lesen lassen. Natascha war ein unglaublich putziges Kind gewesen mit einem süßen braunen Lockenkopf und Stupsnase. Ein richtiges Katalogkind. Sicher war sie jetzt eine Schönheit.
»Wieso bin ich denn zur Hochzeit eingeladen?«, fragte ich verwundert.
Max zuckte mit den Schultern.
»Keine Ahnung. Die Zenz will dich eben dabeihaben. Schließlich bist du weitläufig mit ihr verwandt.« Max war einer der wenigen, der den Spitznamen Zacherin vermied. Obwohl ich Zenz auch
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