Hochzeitsstrudel und Zwetschgenglück: Roman (German Edition)
29
Ich rannte barfuß über die Wiese hinter dem Haus und schaute mich immer wieder angstvoll um. Tausende von Ratten und Mäusen verfolgten mich. Plötzlich sah ich meine Oma. Sie saß im Nachthemd auf einem dicken Ast des Zwetschgenbaums, von dem sie gefallen war. Der Baum trug große, dunkel schillernde Früchte. »Wo sind die Mausefallen?«, schrie ich laut und rannte auf sie zu. Die kleinen gierigen Nager kamen immer näher.
»Du wirst es nicht schaffen«, sagte Oma und schüttelte mit unbewegter Miene den Kopf.
Doch ich wollte nicht aufgeben und rannte noch schneller. Endlich war ich am Baum angelangt. Er war meine Rettung. Oben würden mir die Mäuse und Ratten nichts mehr anhaben können.
»Hilf mir!«, rief ich. Sie zögerte kurz und streckte mir dann die faltige weiße Hand entgegen. Doch als ich sie packte, um mich daran nach oben zu ziehen, kippte Oma plötzlich nach vorne und landete mit einem dumpfen Geräusch neben mir auf dem Boden.
Schweißgebadet und mit wild klopfendem Herzen schrak ich im Bett hoch. Was war das nur für ein gruseliger Albtraum gewesen? Ich knipste die Nachttischlampe an. Fanny, die neben mir auf dem Teppich geschlafen hatte, hob den Kopf.
»Schon gut, Süße. Schlaf weiter.«
Doch Fanny dachte nicht daran. Sie folgte mir nach unten in die Stube. Ich nahm eine Flasche mit Mineralwasser und trank in tiefen Zügen.
Wie zerschlagen setzte ich mich an den Tisch. So ein Traum konnte einen ganz schön aus der Fassung bringen. Ich schaute auf die Uhr. Es war kurz nach vier Uhr morgens, und an Schlaf war nicht mehr zu denken.
Um mich abzulenken holte ich mein Notebook. Mit schlechtem Gewissen öffnete ich mein E-Mail-Postfach und dachte an die Bewerber, denen ich immer noch nicht geantwortet hatte. Ich seufzte. Die Zeit lief mir davon. Was sollte ich denn nur tun? Alex ab- und die Bewerber anschreiben?
In diesem Moment fasste ich einen Entschluss. Wenn Alex sich nach dem Pfingstwochenende immer noch nicht gemeldet hatte, würde ich versuchen, ihn zu vergessen, und irgendeinen der anderen Männer heiraten. Vorausgesetzt, dass irgendeiner von denen mich überhaupt noch wollte. Der Einzige, der mir spontan einfiel, war Stefan.
Plötzlich schoss mir ein Gedanke durch den Kopf. Stefan! Er konnte mir helfen! Warum war ich nicht schon längst auf die Idee gekommen? Seitdem ich unter diesem Heiratsdruck stand, schien mein gesunder Menschenverstand Urlaub in Sibirien zu machen.
Meine Güte, war ich jetzt aufgeregt! Ich konnte es wieder einmal kaum erwarten, bis es endlich Morgen wurde.
Kapitel 30
»Nein! Das werde ich ganz sicher nicht tun!« Stefan schaute mich nur kurz an und räumte dann weiter Flaschen in die Kühlung.
»Bitte, Stefan! Ich brauch doch nur seinen Namen!«
»Du weißt, dass ich das nicht darf. Also nochmal nein!«
Er ließ nicht mit sich reden. Dabei hatte ich es mir so einfach vorgestellt.
»Bitte, Stefan.« Ich setzte mein charmantestes Lächeln auf.
»Wenn er dir seinen Namen nicht selbst gesagt hat, dann wird das schon seinen Grund haben.«
»Aber ich …«
Stefan schloss die Kühlung und schaute mich ernst an.
»Die Daten meiner Gäste sind vertraulich. Wenn ich sie weitergebe, mache ich mich strafbar.«
»Ach komm. Das ist doch nur eine Lappalie. Ich verrate auch nicht, dass ich sie von dir habe.« Er sollte sich nicht so anstellen! Bei meinen Recherchen für BeauCadeau hatte ich mir schon ganz andere Informationen besorgt.
Und er bräuchte doch nur einen einzigen Blick in seinen PC zu werfen, und schon wäre das Geheimnis um Alex’ Nachnamen für mich gelöst.
»Nein!« Er verschränkte die Arme.
Mir kam plötzlich ein Verdacht.
»Du würdest mir seinen Namen auch nicht sagen, wenn du dürftest. Nicht wahr?«
Er stritt es noch nicht mal ab. »Stimmt!« Dann lächelte er, und sein Grübchen war zu sehen. »Weil ich immer noch hoffe, dass du mir vielleicht doch eine Chance gibst.«
Aha! So war das also! Wie sagte man so schön? Im Krieg und in der Liebe war alles erlaubt. Ob das auch immer zum Ziel führte, war allerdings eine andere Sache.
»Dann hoff mal schön weiter! Bis du schwarz wirst!«, sagte ich beleidigt, drehte mich um und verschwand.
Wenig später stand ich am Grab meiner Oma. Seit der Beerdigung war ich nicht mehr hier gewesen. Vielleicht hatte ich deswegen diesen Albtraum gehabt? Die Blumenkränze und -schalen waren inzwischen verschwunden, und die Grabstätte war neu bepflanzt worden. In den hellgrauen Grabstein war der Name
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