Hochzeitsstrudel und Zwetschgenglück: Roman (German Edition)
sowie das Geburts- und Sterbedatum von Oma eingraviert. Sicher hatte sich meine Tante Luise um alles gekümmert. Ich hatte ein schlechtes Gewissen. Zumindest hätte ich ihr dabei helfen können. Ich würde ihr demnächst einen schönen Blumenstrauß als Dankeschön vorbeibringen und ein paar Rätselzeitschriften, die sie so gerne ausfüllte, wenn sie abends vor dem Haus saß.
Ich öffnete die kleine Laterne und zündete eine Kerze an, die ich am Friedhofseingang aus einem Grabkerzenautomaten gezogen hatte. Meine Erinnerungen führten mich kurz zu meinem Vater und zu meinem Opa, die hier ebenfalls lagen. Doch eigentlich war ich wegen meiner Oma hier. Ich hatte ein Hühnchen mit ihr zu rupfen.
Weißt du überhaupt, was du mir mit diesen Bedingungen alles antust? , begann ich in Gedanken zu wettern. Aber du warst ja immer schon gemein zu mir. Seit ich denken kann. Zu Max warst du nie so boshaft. Ich lud den ganzen Frust der letzten Wochen bei ihr ab und merkte dabei gar nicht, wie ich immer wütender wurde. Warum hast du nicht gleich Max zu deinem Erben gemacht?
»Hanna! Wenn man dich anschaut, kriegt man ja gleich Angst.«
Ich erschrak. Ich hatte gar nicht bemerkt, dass sich jemand genähert hatte. Als ich mich umdrehte, schaute ich in das schmunzelnde Gesicht vom Pfarrer Brenner.
»Grüß Gott, Herr Pfarrer.« Seit unserem nächtlichen Spaziergang hatte ich ihn nicht mehr gesehen.
»Die Bedingungen des Erbes machen dir etwas zu schaffen, nicht wahr?«
Klar wusste auch er darüber Bescheid. So wie jeder in Halling und um Halling herum.
Ich nickte betreten. Es war mir schon etwas peinlich, dass man es mir so deutlich ansah, wie ich mich ärgerte.
»Weißt du, Hanna. Deine Oma mag zwar nicht zu den freundlichsten Zeitgenossen gezählt haben, aber wirklich böse war sie nicht.«
»Mich mochte sie nie«, sagte ich unglücklich. Ein dicker Kloß steckte in meinem Hals. Es war kein schönes Gefühl, von der eigenen Oma nicht gemocht zu werden. Und das schleppte ich schon mein ganzes Leben lang mit mir herum.
»Woher willst du das wissen?«, fragte er sanft.
Ich hob den Kopf und schaute ihm in die Augen.
»Das spürt man doch, wenn einen jemand nicht leiden kann.«
Er legte seine Hand auf meine Schulter.
»In Menschen gehen oft seltsame Dinge vor, und deswegen verhalten sie sich nicht immer so, wie man es sich vielleicht wünscht. Aber glaub mir, es liegt nicht an dir, dass Berta so war, wie sie war.«
Bei diesen Worten schaute er mich eindringlich an. Und ich erkannte, dass er mehr wusste, als er mir sagen konnte. Natürlich. Sein Beruf machte ihn zu einem großen Geheimnisträger. Oma war sehr gläubig gewesen und hatte ihm im Beichtstuhl sicherlich einiges anvertraut.
Plötzlich wurden meine Gedanken Berta gegenüber ein wenig nachsichtiger. Vielleicht hatte sie in ihrer Kindheit etwas Schlimmes erlebt und war deswegen so kratzbürstig geworden? Womöglich hatte ihre dauerhaft schlechte Laune gar nichts mit mir zu tun gehabt? Ihren boshaften letzten Willen ließ ich dabei erst einmal großzügig außer Acht.
»Danke, Herr Pfarrer«, sagte ich aufrichtig. Das kurze Gespräch mit ihm hatte mir wirklich gut getan.
»Keine Ursache.«
Als wir gemeinsam den Friedhof verließen, kam uns eine alte Bekannte entgegen: die liebe Frau Altmannseder. Samt ihrem Dackel, der heute ein neckisches Strohhütchen auf dem Kopf trug. Armer Hund! Recht glücklich sah er damit nicht aus.
»Oh nein. Nicht schon wieder«, seufzte Pfarrer Brenner leise und verdrehte die Augen. Ich konnte mir kaum ein Lachen verkneifen. Dann zwinkerte er mir vergnügt zu. »Jetzt ärgern wir sie ein bisserl«, flüsterte er und hielt mir seinen Arm hin. Ich hängte mich bei ihm ein.
»Grüß Gott, Frau Altmannseder«, sagten wir unisono, als wir an ihr vorbeigingen.
Ihr Blick sprach Bände. Und wir beeilten uns davonzukommen.
Auf dem Rückweg nach Hause fuhr ich zum Supermarkt. Ich musste unbedingt für die Feiertage einkaufen. Auch wenn weder Pauline noch Daniela mit Benny kommen würden. Was mich etwas traurig machte. Denn morgen war mein Geburtstag. Der dreiunddreißigste. Und da hätte ich meine Lieben doch sehr gerne dabei gehabt. Aber Pauline und Mutter würden zusammen mit Dieter seine Verwandtschaft in Bremen besuchen. Und Daniela und Benny hatten sich einen bösen Darmvirus eingefangen.
Ich lud den Einkaufswagen so voll, als ob in Halling in nächster Zeit die Lebensmittel rationiert werden würden. Und da ich nicht vorhatte, an den
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