Höchstgebot
nutzen kann? Und vielleicht könnte jemand zwei frische, große Handtücher besorgen und sie darüberlegen.«
Robert entfernte vorsichtig das Zeitungspapier. Ein Stück der Perlenkette der Scheherazade wurde sichtbar. Sie hatten das geraubte Gemälde gefunden. Robert rollte die Leinwand ab, legte sie auf die Handtücher und beschwerte sie an den Seiten mit zwei hölzernen Nachttischlampen, unter die er zum Schutz ein zweites Paar Handschuhe gelegt hatte.
Niemand sagte ein Wort. Nach einer ganzen Weile, in der seine Augen wie ein Scanner über das Gemälde gelaufen waren, seufzte Robert schwer. Er sah auf und bemerkte erst jetzt, dass die Polizisten ihn wie gebannt anstarrten.
»Die gute Nachricht ist«, er räusperte sich, »dass die Idioten die Leinwand mit der Bildseite nach außen eingerollt haben. Der Farbauftrag wurde dadurch zwar gedehnt und es sind kleine Risse entstanden. Hätten sie sie aber nach innen gerollt, wäre die Farbe massiv gestaucht worden. Die Farbschollen wären dann so gegeneinandergepresst worden, dass sie zersplittert wären wie kollidierende Eisplatten in der Arktis.«
»Das werden sie ja sicher noch in einem Bericht festhalten«, unterbrach ihn Molendorp. »Sehen Sie denn auch etwas, das uns bei der Fahndung weiterhelfen könnte?«
»Nur, was wir schon wissen. Es waren Dilettanten. Die schlechte Nachricht ist nämlich, dass sie das Bild so grobschlächtig hinter den Schrank geschoben haben, dass die Leinwand geknickt wurde. Wenigstens scheinen sie beim Zusammenrollen Handschuhe benutzt zu haben. Sonst hätten sich durch diesen massiven Druck Spuren in die Farbschicht eingeprägt.«
»Tja, das wäre für uns eine ziemlich gute Nachricht gewesen«, befand van Duin.
»Ach, die Spurensicherung wird hier schon genug Fingerabdrücke finden. Und Haare und einen halben Liter Speichelreste«, sagte Molendorp und zeigte leicht angewidert auf die Fastfoodtüten im Papierkorb. Er zog sein Handy aus der Jackentasche und verschwand auf den Flur.
»Ob die noch mal zurückkommen?«, fragte van Duin.
»Wenn sie die Kollegen an ihrem Mercedes gesehen haben, sicher nicht mehr«, meinte Katja und bemühte sich, das nicht wie einen Vorwurf klingen zu lassen.
»Wenn sie mit dem Zug abgehauen sind, wird’s schwer«, meinte van Duin. »Mit dem Thalys kommen sie im Nu nach Köln, Brüssel und Paris. Und es gibt noch die Züge nach Luxemburg und Charleroi.«
»Aber warum hängen sie überhaupt tagelang in dieser schäbigen Bude ab? Von Paris aus wären sie sofort im Süden. In Marseille bei der Drogenmafia. Oder in Monaco bei einem potenten Käufer«, wunderte sich Robert.
»Entweder wollten sie abwarten, bis der Fahndungsdruck abnimmt, oder sie waren hier verabredet«, spekulierte Katja.
Molendorp kehrte zurück.
»Was passiert jetzt mit dem Gemälde?«, fragte Robert ihn. »Die Restaurierung ist zwar nicht so dringend wie bei den Randstücken, aber falsche Behandlung und ungünstige klimatische Bedingungen würden den Zustand weiter verschlechtern.«
Van Duin seufzte. »Ich verstehe Sie ja. Sie machen Ihren Job. Aber wir machen unseren, und der hat Vorrang.«
»Das ist ja auch gut so. Ich meine nur, Sie sollten das Bild so schnell wie möglich freigeben, damit die Versicherung Sie nicht später für Folgeschäden haftbar macht.«
»Die Versicherung habe ich schon informiert. Herr Kampmann kommt gleich; er will sich selbst einen Eindruck verschaffen«, erklärte Molendorp. »Bis dahin sollten wir unten warten, ehe wir hier noch Spuren zerstören.«
Während die anderen das Zimmer verließen, kniete sich Robert neben den Schrank, als wollte er seinen Schuh schnüren. Als ihn niemand weiter beachtete, holte er schnell einen Zettel aus seiner Jackentasche und schob vorsichtig ein paar Farbsplitter vom Boden auf das Papier. Ehe sie diese empfindlichen Stücke auch noch beschlagnahmten und Pulver daraus machten, nahm er sie lieber mit. Er faltete das Papier zusammen und steckte es ein.
»Was ist denn, Herr Patati?«, Molendorp schob den Kopf durch die Tür. »Wollen Sie hier ein Nickerchen halten?«
Kampmanns Gesichtsfarbe hatte sich normalisiert, stellte Robert fest, als der Agent endlich den Frühstücksraum des Hotels betrat.
»Sie auch hier?«, fragte er überrascht, als er Robert entdeckte, der sich seinem Nacken zuliebe auf einer Bank ausgestreckt hatte und sich nun langsam aufrichtete wie Frankensteins Monster nach dem entscheidenden Stromschlag.
»Oberkommissarin Hellriegel vom LKA hat
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