Höchstgebot
können aber nicht rekonstruiert werden, wenn sie durch Strahlung vernichtet wurden«, sagte Micky. »Laut Zugangsregistrierung haben Sie sich am Abend des Brandes um 21.42 Uhr abgemeldet. Bis zu dieser Zeit haben Sie in Ihrem Büro gearbeitet.«
»Das habe ich schon alles bei der Kripo ausgesagt«, bestätigte Hinrichs.
Micky holte den Bericht der Versicherung hervor. »Die Datenspeicherung verlief nach einem Protokoll, bei dem das gesamte System alle fünf Minuten eine automatische Überprüfung vornahm, ob neue oder geänderte Daten vorlagen. Um 20.12 Uhr wurde zum letzten Mal eine Sicherung durchgeführt. Zu der Zeit waren Sie laut Ihrer Aussage noch beschäftigt. Ihren Computer haben Sie um 21.32 Uhr heruntergefahren. Bevor Sie gingen, haben Sie sich noch kurz mit dem Wachmann, Raik Fost, unterhalten.«
Jens Hinrichs zuckte mit den Achseln und nickte. Doch die Falte über seiner Nasenwurzel, die sich immer tiefer eingrub, verriet, dass er fieberhaft nachdachte.
»Dann hat also das Back-up-System auf Ihrem Computer bei den letzten Überprüfungen nichts Neues registriert«, sagte Micky.
»Kann sein«, antwortete Hinrichs. »Wahrscheinlich habe ich etwas gelesen oder einfach nachgedacht.«
»Schade, dass auch das Logbuch des Hauptservers verloren gegangen ist«, sagte Micky. »Doch am Ende hat sich das als kein großes Problem erwiesen. Jedes Mal, wenn das Backup-System eine Überprüfung durchführt, ob noch etwas gespeichert werden muss, hinterlässt es eine Spur in dem überprüften Computer. Einen Brotkrümel, so wie im Märchen von Hänsel und Gretel. Ihr Computer ist ja beim Brand glücklicherweise nicht zerstört worden.«
Hinrichs Gesicht verzog sich so schmerzvoll, als hätte ihm jemand einen Backstein auf die Zehen fallen lassen. Er drehte sich um und rannte die Treppe hinauf. Katja und Robert wollten ihm nach, aber Micky hielt sie zurück.
»Wir geben ihm zehn Sekunden, um seine eigenen Schlüsse zu ziehen«, flüsterte sie. »Jetzt entdeckt er gerade, dass sein Computer abgeholt wurde. Die Versicherungsermittler haben gründliche Arbeit geleistet. Nach 20.50 Uhr hat es sowieso keine Systemchecks mehr gegeben, einfach weil das Back-up-System zu diesem Zeitpunkt ausgeschaltet wurde. Und zwar nicht, weil ein Feuer ausgebrochen war. Das passierte erst um 23.18 Uhr. Aber da waren die Datenspeicher bereits seit Stunden bis zum letzten Bit zerstört.«
Auf Mickys Zeichen hin gingen sie ruhig den Flur entlang. Sie trafen gerade rechtzeitig im Büro von Jens Hinrichs ein, um seinen Stoßseufzer zu hören. »Ingrid, was tust du mir an?«
Jens Hinrichs war bereits gehörig angeschlagen. Aber zur Sicherheit machte ihn Micky auf eine Passage im Bericht der Versicherung aufmerksam, in dem der Vorschlag für eine Folgeuntersuchung durch eine Spezialfirma gemacht wurde, angesichts der Vermutung, dass der Schaden durch Strahlung entstanden sei.
»Magnetische Strahlung«, fügte Micky hinzu.
Jens Hinrichs saß hintenüber geneigt in seinem rußgeschwärzten Bürostuhl und schien sich nichts daraus zu machen, dass seine schicke Freizeitkleidung komplett verdreckte. Er hatte die Hände über die Augen gelegt, als halte er über die raue See hinweg Ausschau nach einem Schiff, das nicht kommen wollte.
»Ich würde gerne noch einmal auf eines unserer Gespräche in der letzten Woche zurückkommen«, sagte Micky. »Ich fragte nach dem Verpackungsmaterial, das sich als Brandherd herausgestellt hat. Sie sagten, dass ein bestimmter Apparat darin geliefert worden sei. Können Sie sich denken, worauf ich hinauswill?«
Hinrichs ließ die Schultern sinken. »Ja …«
Braver Hund, dachte Micky, immer schön bei Fuß bleiben. »Der MRT«, fuhr sie fort. »MRT steht doch für Magnetresonanztomograph, oder?«
»Richtig«, sagte Hinrichs.
»Eben sagten Sie, Sie hätten über eine Stunde lang in Ihrem Büro gelesen oder nachgedacht«, fuhr Micky fort. »An einem Sonntagabend. Hatten Sie nichts Besseres zu tun?«
»Zum Beispiel?«
»Betriebsdaten vernichten zum Beispiel«, bot Micky an.
»Nein«, entgegnete Hinrichs energisch. »Dafür bin ich nicht verantwortlich.«
»Haben Sie es vielleicht im Auftrag von Frau Roeder getan?«
»Nein, ich habe nichts damit zu tun.«
»Irgendjemand hat die Disc-Arrays in den MRT geschoben. Frau Roeder hat an jenem Abend die meiste Zeit telefoniert, das hat der ASSU- Wachmann bezeugt. Bleiben nur noch Sybille Wenger und Sie.«
»Dann muss es wohl Sybille gewesen sein. Denn ich war es
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