Höchstgebot
»vielleicht solltet ihr euch auch mal in den Abzugschrank setzen.«
»Machen Sie sich keine Sorgen«, tröstete Keukenhoff. »Eifersucht allein führt fast nie zu Mord. Da muss schon mehr hinzukommen.«
»Theorien haben wir genug«, stellte Katja fest. »Aber keine belastbaren Beweise.«
Sie waren inzwischen auf die Terrasse vor dem Café umgezogen, die leeren Kaffeetassen waren vollen Weingläsern gewichen.
»Wir brauchen nur ein bisschen zu graben, schon stoßen wir auf eine Flut von Hinweisen, die alles Mögliche bedeuten können«, stimmte Micky zu.
»Aber wer uns wirklich weiterhelfen könnte, ist tot«, ergänzte Katja.
»Und die Lebenden schweigen wie ein Grab. Debriek, Ingrid Roeder, Jens Hinrichs …«
»Der Einzige, den wir unter Druck setzen können, ist Sascha«, stellte Katja fest. »Molendorp präsentiert ihn jetzt gleich der Öffentlichkeit als Sündenbock.«
»Vielleicht könnten wir ihn ja darüber zwingen, endlich seinen Trumpf auszuspielen.« Micky stieß mit Katja an. Vor dem roten Abendhimmel erhoben sie die Gläser und sahen zu, wie die Bläschen in ihrem Moscato frizzante unbekümmert aufstiegen.
Wieder klingelte Katjas Handy. Genervt aufseufzend stellte sie ihr Glas ab, meldete sich und stellte eine Reihe von knappen Fragen. Nach und nach wurde ihr Ton freundlicher und am Ende bedankte sie sich ausführlich bei ihrem Anrufer. Als sie das Handy weglegte, stieß sie einen weiteren verärgerten Seufzer aus. »Verdammt, Sascha Heidfeld ist gerade dabei, seine Story an die BILD-Zeitung zu verkaufen! Er sitzt im Raucherzimmer des Krankenhauses mit einem Journalisten und einem Fotografen zusammen und gibt ein Interview über die Hintergründe des Gemälderaubs. Er spielt sein Ass im Ärmel aus!«
Micky führte gerade ihr Glas Wein für den ersten Schluck zum Mund, stellte es aber wieder hin. »Woher weißt du das?«
»Ein Redakteur des WDR ist mit dem BILD-Journalisten befreundet«, erklärte Katja. »Und als wäre das nicht schon bemerkenswert genug, ist der Redakteur wiederum mit mir befreundet. Der BILD-Journalist wollte seine Story nämlich unter der Hand auch an den WDR verscherbeln.«
»Hat dein Redakteursfreund auch gefragt, was Sascha ausplaudern will?«
»Sonst wäre er nicht mein Informant«, gab Katja zurück. »Die Geschichte klingt etwas sensationsheischend, könnte aber wahr sein. Sybille Wenger soll entdeckt haben, dass in der Abteilung von Ingrid Roeder nicht nur neuartige Prothesen entwickelt wurden, wie das Unternehmensprofil verkündet, sondern auch andersartige Bewegungsapparaturen. Sascha zufolge hat Ingrid Roeder vor zwei Jahren eine Forschungsreihe gestartet, in der diese revolutionäre Prothesentechnologie modifiziert wurde, um Kriegsroboter herzustellen, insbesondere Landroboter. Was wohl nicht weiter verwunderlich ist, weil viele Bewegungsabläufe dieser Kriegsroboter mit denen der Außenprothesen verwandt sind.«
Micky trank einen Schluck Wein. »Also hilft die Firma Roeder mit der einen Hand Kriegsopfern und produziert mit der anderen Kampfmaschinen, die Kriegsopfer verursachen? Also ein ökonomisches Perpetuum mobile. Und was ist mit der Stiftung gegen Landminen?«
»Deshalb soll Sybille als Friedensaktivistin große Probleme mit der Sache gehabt haben, sagt Sascha. So große Probleme, dass sie Carsten vor die Wahl stellte. Entweder er würde den Aktivitäten von Ingrid, ihrer unmittelbaren Vorgesetzten, ein Ende bereiten, oder sie brächte alles an die Öffentlichkeit.«
»Und das musste sie mit ihrem Leben büßen?«
»Wie eine Hexe auf dem Scheiterhaufen.«
»Aber wer hat sie angezündet?«
»Sascha zufolge hatten Carsten und Ingrid ein gemeinsames Motiv. Beide fürchteten einen irreparablen Imageschaden für die Firma Roeder. «
»Also haben Bruder und Schwester zusammen das Streichholz angezündet? Blut ist eben doch dicker als Wasser. Und was sagt unser Schlagerkrimineller über Sybilles Rolle bei dem Gemälderaub?«
»Eine Verzweiflungstat, weil man ihre Forderungen nicht erfüllte. Sie betrachtete sich als Ruferin in der Wüste, die das Unrecht anprangerte und entlassen wurde. Pikanterweise war sie wohl tatsächlich von Carsten schwanger, der sie prompt fallen ließ wie eine heiße Kartoffel. Das wird den BILD-Lesern zweifellos reich garniert aufgetischt werden. Sybille als Opfer der sexuellen Gelüste ihres Chefs und als Widerstandskämpferin gegen Unternehmer, die ein doppeltes Spiel spielten.«
»Glauben die BILD-Typen das alles nur, weil
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