Höchstgebot
versetzte Katja Sascha einen kräftigen Stoß gegen das Brustbein, sodass er quer über das Bett fiel. Sie baute sich breitbeinig vor ihm auf. Micky blieb auf der anderen Seite seines Bettes stehen. Mit der Fernbedienung schaltete sie den Fernseher über Saschas Bett ein und switchte auf TV Limburg .
»Leichenfledderer!«, fuhr Katja ihn an.
Sascha rappelte sich langsam auf. »Was?«, fragte er. »Wovon reden Sie?«
»Sie versuchen, aus Sybilles Tod Kapital zu schlagen.«
»Na und? Von euch bekomme ich ja wohl kein Geld.«
»Sie halten wichtige Informationen vor uns zurück!« Katja trat einen Schritt nach vorn.
»Ob Sie es in der BILD lesen oder von mir hören, ist doch wohl egal«, rief Sascha.
»Glauben Sie wirklich, dass wir den Mord an Ihrer Pflegeschwester mit dem Bullshit aufklären können, den die BILD-Zeitung verzapft?«
»Aber von irgendetwas muss ich doch leben!«
»So, wie es aussieht, wirst du vorläufig eine ganze Weile lang gar kein Leben mehr haben«, antwortete Micky. »Wir erklären dich hiermit für genesen. Aber zuerst darfst du schön fernsehen, ehe wir dich in den Knast bringen. Du verstehst doch ein bisschen Niederländisch, oder?«
Sie griff nach den Kopfhörern und setzte sie Sascha auf die Ohren. Micky und Katja brauchten nicht mitzuhören, um zu wissen, dass Molendorp die Verhaftung von Sascha und Patrick tüchtig ausbeutete, um sein öffentliches Renommee aufzupolieren. Er saß mit vier Opfern des Zugunglücks zusammen im Studio, zwei Frauen, einem Mann und einem kleinen Jungen, der seinen Arm in einer Schlinge trug. Sie nickten zustimmend, als Molendorp mit energischem Gesicht seine Kommentare abgab. Sascha runzelte die Stirn.
Auf dem Bildschirm erschien der Moderator, dann folgte eine Zusammenfassung der Szenen nach dem Zugunglück. Gleich darauf wurden wieder die Opfer eingeblendet. Eine der Frauen und der Mann konnten ihre Tränen nicht unterdrücken, was die Zuschauer vor den Bildschirmen in Großaufnahme hautnah miterlebten. Molendorp lauschte mit ernstem Gesicht den Geschichten der Opfer. Saschas Miene wurde immer sorgenvoller und er sprang plötzlich auf, als er die Bilder aus Valkenburg sah. Molendorp kam mit eckigen Bewegungen ins Bild, als er zu dem Chaos vor dem Souvenirladen schritt. Kurz darauf sah Sascha sich selbst auf einer Trage liegen, einen Balken diskret über den Augen.
»Du bist auch auf YouTube« , sagte Micky. »In ungefähr dreißig Filmen. Aber natürlich schön identifizierbar ohne Brett vor dem Kopf.«
Sascha nickte matt.
Jetzt war Molendorp wieder im Bild und seinem grimmigen Gesicht war anzusehen, dass er etwas über den Täter mitteilte. Der Beitrag endete mit einer Aufnahme des Krankenhauses. Micky nahm Sascha die Kopfhörer wieder ab.
»Was hat der Commissaris gesagt?«, fragte Katja.
Sascha zuckte mit den Schultern.
»Lass mich raten«, übernahm Micky. »Er hat prophezeit, wie viele Jahre du in niederländischen Gefängnissen verbringen wirst. Fangen wir mal mit bewaffnetem Raubüberfall an, das gibt ungefähr neun Jahre. Dann Mordversuch an eurem Verfolger. Runden wir ab auf sechs Jahre. Dann kommt noch die Verursachung eines Zugunglücks hinzu. Fällt unter Terrorismus. Macht, sagen wir, fünfzehn Jahre. Dazu noch ein bisschen Kleinkram, zum Beispiel das Hineinfahren in eine Menschenmenge in Valkenburg sowie der Verkauf von Betriebsgeheimnissen, na ja, zusammen ungefähr drei Jahre. Macht insgesamt dreiunddreißig Jahre. Stimmt das in etwa mit dem überein, was der Commissaris gesagt hat?«
Sascha seufzte. »Verstehen Sie jetzt, dass ich Geld für einen guten Anwalt brauche?«
»Also deshalb hast du deine tote Schwester für Schweigegeld an Carsten zu verkaufen versucht?«, fragte Katja.
»Ich habe meine Schwester nicht verkauft«, erwiderte Sascha trotzig.
»Und was hast du dann an die zwei Presseratten verschachert?«
Sascha blickte hinauf zum Bildschirm, auf dem jetzt ein Literaturprogramm lief, was seine Stimmung nicht unbedingt aufhellte.
»Ein guter Anwalt würde dir raten, bedingungslos zu kooperieren«, erklärte Micky und setzte sich neben Sascha. »Das könnte das Strafmaß erheblich mindern.«
»Ehrenwort?«
»Ehrenwort, und ich besorge dir einen guten Anwalt.«
Micky kannte genügend Strafverteidiger in Maastricht, die Sascha als fette Werbebeute betrachten und sogar noch Geld drauflegen würden, um ihn zu verteidigen.
»Die Story, die du der BILD-Zeitung erzählt hast, kennen wir schon«, sagte Micky. »Und
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