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Höhenangst

Titel: Höhenangst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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und mit dem kochenden Wasser übergoß. »Zucker?«
    »Nein, danke. Hat die Polizei eine Ahnung, wie es passiert ist?«
    »Es war ein Raubüberfall. Von ihrer Tasche fehlt jede Spur. Dabei habe ich ihr immer gesagt, sie soll nachts nicht am Kanal entlanggehen. Aber wenn sie von der U-Bahn kam, hat sie trotzdem immer wieder diese Abkürzung genommen.«
    »Eine schreckliche Sache«, sagte ich. Der Gedanke an den dunklen Kanal ließ mich schaudern. »Eigentlich war ich mehr eine Freundin von Adele.«
    »Ihrer Schwester?« Eine Welle des Hochgefühls durchströmte mich: Dann war Tara also tatsächlich Adeles Schwester. Maggie reichte mir meine Teetasse. »Das arme Ding. Und die armen Eltern. Stellen Sie sich vor, wie die sich fühlen müssen. Vor einer Woche oder so waren sie hier, um ihre Sachen abzuholen. Ich wußte gar nicht recht, was ich zu ihnen sagen sollte. Sie waren so tapfer, aber es kann nichts Schlimmeres geben, als ein Kind zu verlieren, oder?«
    »Nein. Haben sie ihre Adresse oder Telefonnummer hinterlassen? Ich würde ihnen gern sagen, wie leid mir das alles tut.«
    Allmählich werde ich richtig gut, was das Lügen angeht, dachte ich.
    »Ich muß die Nummer irgendwo haben. Obwohl ich bezweifle, daß ich sie in mein Telefonbuch geschrieben habe. Ich dachte nicht, daß ich sie noch mal brauchen würde. Aber sie liegt bestimmt noch irgendwo herum.
    Augenblick.« Sie fing an, in den Zetteln und Papieren herumzukramen, die sich neben dem Toaster stapelten –
    schwarz und rot gedruckte Rechnungen, Werbeprospekte, Postkarten, Speisekarten von Take-away-Restaurants.
    Schließlich fand sie die Nummer auf dem Umschlag ihres Telefonbuchs. Ich notierte sie mir auf ein Stück von einem alten Kuvert und schob den Zettel in meine Geldbörse.
    »Wenn Sie mit ihnen sprechen«, sagte sie, »dann richten Sie ihnen bitte aus, daß ich den ganzen übrigen Kleinkram weggeworfen habe. So, wie sie es gesagt haben. Die Klamotten habe ich zu Oxfam gebracht.«
    »Haben sie denn nicht alle ihre Sachen mitgenommen?«
    »Das meiste schon. Natürlich alles Persönliche wie Schmuck, Bücher, Fotos. Sie wissen schon. Aber ein bißchen was haben sie auch dagelassen. Es ist wirklich erstaunlich, wieviel Müll sich im Lauf der Zeit ansammelt, finden Sie nicht auch? Ich habe ihnen versprochen, mich darum zu kümmern.«
    »Kann ich die Sachen mal sehen?« Sie starrte mich überrascht an. »Vielleicht ist ja etwas darunter, was ich zur Erinnerung aufbewahren könnte«, fügte ich lahm hinzu.
    »Das Zeug liegt in der Mülltonne. Es sei denn, die Müllabfuhr war schon da.«
    »Darf ich rasch einen Blick hineinwerfen?«
    Maggie schien nicht so recht zu wissen, was sie davon halten sollte.
    »Wenn Sie sich durch Orangenschalen, Katzenfutter und Teebeutel wühlen wollen, ist das Ihre Sache, nehme ich an. Die Tonnen stehen gleich vor der Haustür. Sie haben sie wahrscheinlich beim Reinkommen gesehen. Auf die meine ist mit weißer Farbe 23B aufgemalt.«
    »Vielen Dank.«
    »Sie werden nichts finden. Es ist bloß ein bißchen alter Müll.«
    Es muß ziemlich verrückt ausgesehen haben – eine Frau in einem schicken grauen Hosenanzug, die in einer Mülltonne herumwühlte. Was versprach ich mir eigentlich von dieser ganzen Aktion? Was war Tara für mich anders als ein Mittel zum Zweck, um ihre Eltern zu finden? Die ich nun ja gefunden hatte und die für mich wiederum nur ein Mittel zum Zweck waren, um Adele aufzustöbern.

    Adele, die eigentlich auch nichts mit mir zu tun hatte, sondern nur ein verlorenes Bruchstück aus der Vergangenheit eines anderen Menschen war.
    Hühnerknochen, leere Thunfisch- und
    Katzenfutterdosen, ein paar Salatblätter, ein, zwei alte Zeitungen. Ich würde ziemlich unangenehm riechen, wenn ich zurück ins Büro fuhr. Eine zerbrochene Schüssel, eine Glühbirne. Besser, ich ging bei meiner Suche systematisch vor. Ich fing an, die Sachen aus der Tonne zu nehmen und auf dem Deckel zu stapeln. Ein Pärchen ging vorbei, und ich bemühte mich, so zu tun, als wäre mein Verhalten völlig normal. Lippenstifte und Eyeliner, die wahrscheinlich Tara gehört hatten. Ein Schwamm, eine eingerissene Bademütze, ein paar Zeitschriften. Da der Deckel der Mülltonne bereits voll war, legte ich die Sachen daneben auf den Boden und spähte wieder in die mittlerweile fast leere Tonne. Von unten starrte mir ein Gesicht entgegen. Ein vertrautes Gesicht.
    Ganz langsam, wie in einem Alptraum, streckte ich die Hand nach dem Zeitungsausschnitt aus. An

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