Höhenangst
ihr Mann und Adams Freund. Er werde in ihrer Affäre immer präsent sein. Eines Tages werde er zwangsläufig dahinterkommen, und sie wolle ihn nicht derart verletzen. Auch könne sie nicht auf Dauer mit den Schuldgefühlen leben, die sie im Moment empfinde. Sie erklärte Adam, daß sie ihn anbete und daß er der wundervollste Liebhaber sei, den sie je gehabt habe, aber daß sie sich trotzdem nicht mehr mit ihm treffen könne. Sie schrieb ihm, sie werde ein paar Tage bei ihrer Schwester bleiben, und er solle nicht versuchen, sie umzustimmen oder sich mit ihr in Verbindung zu setzen.
Ihr Entschluß stehe fest. Ihre Liebesgeschichte solle ihr gemeinsames Geheimnis bleiben: Er dürfe niemandem davon erzählen, nicht einmal seinen engsten Freunden –
nicht einmal den Frauen, die nach ihr kommen würden.
Sie erklärte ihm, sie werde ihn nie vergessen, hoffe aber, er werde ihr eines Tages verzeihen. Sie wünsche ihm Glück.
Es war ein sehr erwachsen klingender Brief. Ich legte ihn auf meinen Schreibtisch und rieb mir die Augen.
Vielleicht sollte ich es einfach bleibenlassen. Adele hatte Adam gebeten, nie jemandem davon zu erzählen, nicht einmal seinen zukünftigen Geliebten. Adam hielt sich einfach an diese Bitte. Das paßte zu ihm. Er war ein Mann, der ein Versprechen halten konnte. Manchmal war es fast erschreckend, wie ernst und wörtlich Adam so etwas nahm.
Ich griff erneut nach dem Brief und starrte ihn an, bis die Worte vor meinen Augen verschwammen. Warum kam mir ihr Name bloß so bekannt vor? Wo hatte ich ihn schon einmal gehört? Vielleicht von einem der Kletterfreunde Adams. Adele und ihr Mann waren zweifellos Bergsteiger.
Ich zerbrach mir noch ein paar Minuten den Kopf und machte mich dann auf den Weg in die nächste Besprechung mit der Marketingabteilung.
Adele ging mir einfach nicht aus dem Kopf. Wenn man erst einmal eifersüchtig ist, trägt alles dazu bei, diesen Zustand noch zu verschlimmern. In einer solchen Situation kann man einen Verdacht bestätigen, aber niemals widerlegen. Ich sagte mir, daß meine sexuelle Neugier endgültig befriedigt sein würde, sobald ich über Adele Bescheid wüßte. Ich rief Joanna Noble an und fragte sie, ob ich ihre berufliche Sachkenntnis in Anspruch nehmen dürfe.
»Was gibt es denn noch, Alice? Einen weiteren Anfall von ehelicher Paranoia?« Sie klang, als würde ich ihr langsam auf die Nerven gehen.
»Nichts dergleichen.« Ich lachte forsch. »Mein Anliegen hat mit der anderen Sache nichts zu tun. Es geht bloß darum, daß ich jemanden ausfindig machen muß. Eine Frau, von der ich glaube, daß sie in letzter Zeit in den Zeitungen erwähnt wurde. Deswegen habe ich mich gefragt, ob Sie vielleicht Zugang zu den Zeitungsarchiven haben.«
»Möglicherweise«, antwortete sie vorsichtig. »Und das Ganze hat mit dem Stowe-Fall nichts zu tun, sagen Sie?«
»Nicht das geringste.«
Am anderen Ende der Leitung war ein Klopfen zu hören, als würde sie mit einem Stift auf ihren Schreibtisch trommeln.
»Wenn Sie gleich morgen früh kommen«, meinte sie schließlich, »sagen wir so um neun, dann können wir im Computer nachsehen, ob der Name irgendwo erwähnt worden ist, und alles Wichtige ausdrucken.«
»Ich schulde Ihnen einen Gefallen.«
»Ja«, antwortete sie. Dann schwieg sie einen Moment.
»An der Adam-Front alles klar?«
Es klang, als spräche sie über die Sonne.
»Ja«, antwortete ich fröhlich. »Alles friedlich.«
»Wir sehen uns dann morgen früh.«
Ich war vor Joanna da und wartete im Empfangsbereich auf sie. Als sie schließlich kam, entdeckte ich sie, bevor sie mich sah. Sie wirkte müde und gedankenverloren.
»Na, dann mal los! Die Bibliothek ist im Keller. Ich habe etwa zehn Minuten Zeit.«
Die Bibliothek bestand aus unzähligen Reihen von Regalen mit Schiebefächern, die mit braunen, alphabetisch nach Themenbereichen geordneten Aktenmappen gefüllt waren. Desaster, Diana, Diäten, etwa in der Art. Joanna führte mich vorbei an all den Regalen zu einem großen Computer. Sie zog einen zweiten Stuhl heran, forderte mich mit einer Handbewegung auf, Platz zu nehmen, und ließ sich dann selbst vor dem Bildschirm nieder.
»Dann sagen Sie mir mal den Namen, Alice.«
»Blanchard«, antwortete ich. »Adele Blanchard. B-L-
…«
Aber sie hatte den Namen bereits eingegeben.
Der Computer erwachte piepsend zum Leben. In der rechten oberen Ecke erschienen Zahlen, und als Symbol für den laufenden Suchvorgang tickte ein Zeiger. Wir warteten
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