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Höhenangst

Titel: Höhenangst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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Verbrechen begangen zu haben. In einem solchen Fall ist es das beste, man klärt erst einmal seine Meinungsverschiedenheiten.«
    Ich spürte, wie er mir entglitt. Ich mußte weitermachen.
    »Sie haben mich nicht zu Ende erzählen lassen. Der Grund, warum Tara Adam belästigte, war meiner Meinung nach, daß sie ihn verdächtigte, ihre Schwester Adele umgebracht zu haben.«
    »Ihre Schwester ?«
    Byrne zog ungläubig eine Augenbraue hoch. Es wurde immer schlimmer. Ich preßte die Hände gegen den Schreibtisch, weil es mir vorkam, als würde der Boden unter mir schwanken. Ich versuchte, nicht an Adam zu denken, der vor dem Polizeirevier auf mich wartete.
    Bestimmt stand er bereits draußen, den Blick seiner blauen Augen starr auf die Tür gerichtet, durch die ich herauskommen würde. Ich wußte, wie er aussah, wenn er auf etwas wartete, das er haben wollte: reglos, geduldig, total konzentriert.
    »Adele Blanchard war verheiratet und lebte in Corrick.
    Das ist ein Dorf in den Midlands, nicht weit von Birmingham. Sie und ihr Mann waren Wanderer und Bergsteiger und gehörten zu einer Gruppe von Freunden, zu der auch Adam zählte. Sie hatte eine Affäre mit Adam, die sie im Januar 1990 beendete. Ein paar Wochen später verschwand sie spurlos.«

    »Und Sie glauben, Ihr Mann hat sie getötet.«
    »Damals war er noch nicht mein Mann. Wir haben uns erst letztes Jahr kennengelernt.«
    »Wieso glauben Sie, daß er diese andere Frau getötet hat?«
    »Adele Blanchard mußte sterben, weil sie Adam zurückgewiesen hatte. Nach ihr hatte er eine weitere langjährige Beziehung. Die Frau war Ärztin und Bergsteigerin und hieß Françoise Colet.«
    »Und wo ist diese Frau jetzt?« fragte Byrne in leicht sarkastischem Tonfall.
    »Sie ist letztes Jahr auf dem Berg in Nepal gestorben.«
    »Und Sie nehmen an, daß Ihr Mann sie ebenfalls umgebracht hat.«
    »Ja.«
    »Um Gottes willen!«
    »Lassen Sie mich zu Ende erzählen.« Nun hielt er mich endgültig für verrückt.
    »Mrs. … ähm, ich bin sehr beschäftigt. Ich habe …« Er deutete mit einer vagen Handbewegung auf die Aktenstapel auf seinem Schreibtisch.
    »Ich weiß, daß das alles sehr unglaubwürdig klingt«, sagte ich. In mir stieg ein Gefühl von Panik auf, das wie eine Flutwelle über mir zusammenzuschlagen drohte. Mit keuchender Stimme sprach ich weiter. »Ich weiß es wirklich zu schätzen, daß Sie mir zuhören. Geben Sie mir noch ein paar Minuten, damit ich Ihnen auch noch den Rest erzählen kann. Wenn Sie mir dann noch immer nicht glauben, werde ich einfach gehen, und Sie können die ganze Sache vergessen.«
    Er wirkte sichtlich erleichtert. »Also gut«, sagte er.
    »Aber fassen Sie sich kurz.«

    »Versprochen«, antwortete ich, aber natürlich faßte ich mich nicht kurz. Ich hatte das Guy- Magazin dabei, und mit sämtlichen Fragen, Wiederholungen und Erklärungen dauerte mein Bericht fast eine Stunde. Ich erzählte ihm detailliert von der Expedition, den farbigen Seilen, dem Deutschen Tomas Benn, der kein Wort Englisch sprach, dem Unwetter, den verschiedenen Rettungsaktionen, die Adam startete, während Greg und Claude außer Gefecht gesetzt waren. Ich redete und redete. Das war meine einzige Chance, meinem Todesurteil zu entkommen.
    Solange er mir zuhörte, würde ich am Leben bleiben.
    Während ich ihm die letzten Einzelheiten erklärte und dann gezwungenermaßen schwieg, weil alles gesagt war, breitete sich auf. Byrnes Gesicht langsam ein Lächeln aus.
    Endlich war es mir gelungen, sein Interesse zu wecken.
    »Das war’s«, sagte ich schließlich. »Die einzig mögliche Erklärung ist, daß Adam die Gruppe, zu der Françoise gehörte, absichtlich auf die falsche Seite des Gemini Ridge gelockt hat.«
    Byrne grinste breit.
    » Gelb? «fragte er. »Das ist das deutsche Wort für yellow, sagen Sie?«
    »Richtig«, antwortete ich.
    »Nicht schlecht«, sagte er. »Das muß man Ihnen lassen.
    Die Geschichte ist wirklich nicht schlecht.«
    »Dann glauben Sie mir also?«
    Er zuckte mit den Schultern.
    »Ich weiß nicht recht. Vielleicht hat sich das Ganze tatsächlich so zugetragen. Aber vielleicht haben ihn die anderen auch falsch verstanden. Oder er hat tatsächlich um Hilfe gerufen.«
    »Aber ich habe Ihnen doch erklärt, warum das unmöglich ist.«
    »Das spielt keine Rolle. Für die ganze Angelegenheit sind die Behörden in Nepal zuständig oder wo immer sich dieser Berg befindet.«
    »Aber darum geht es mir doch gar nicht. Ich wollte bloß ein psychologisches Muster

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