Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Höhenangst

Titel: Höhenangst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
Vom Netzwerk:
»… nach etwas, wovon ich nicht die geringste Ahnung habe.« Ich lächelte ihn an. Das alles war für mich so neu, daß mir richtig schwindlig davon wurde.
    »Das macht nichts«, sagte er.
    »Ich bin Alice Loudon«, sagte ich und kam mir schon wieder vor wie eine Idiotin. Noch vor ein paar Minuten hatten wir uns geliebt und einander hingerissen ins Gesicht gestarrt. Was konnte ich über mich sagen, das in diesem kleinen Raum einen Sinn ergab? »Eigentlich bin ich Wissenschaftlerin, auch wenn ich zur Zeit für eine Firma namens Drakon arbeite. Sie ist sehr bekannt. Ich manage ein Projekt für sie. Ich komme aus Worcestershire. Ich habe einen Freund, mit dem ich zusammenwohne. Ich sollte eigentlich gar nicht hier sein. Was ich tue, ist falsch.
    Damit wäre so ziemlich alles über mich gesagt.«
    »Nein, das stimmt nicht«, widersprach Adam. Er nahm mir die Kaffeetasse aus der Hand. »Das ist noch längst nicht alles. Du hast blondes Haar, dunkelgraue Augen und eine Stupsnase, und wenn du lächelst, bekommst du im ganzen Gesicht Lachfältchen. Ich habe dich gesehen und konnte den Blick nicht mehr von dir abwenden. Du bist eine Hexe und hast mich verzaubert. Du weißt nicht, was du hier tust. Du hast das ganze Wochenende mit dir gerungen und am Ende beschlossen, daß du mich nicht mehr sehen darfst. Mir dagegen war schon das ganze Wochenende klar, daß wir Zusammensein müssen. Und in Wirklichkeit würdest du dich am liebsten vor meinen Augen ausziehen. Jetzt auf der Stelle.«
    »Aber mein ganzes Leben …«, fing ich an. Aber ich konnte den Satz nicht zu Ende sprechen, weil ich gar nicht mehr wußte, wie mein ganzes Leben eigentlich aussehen sollte. Hier saßen wir in einem kleinen Raum in Soho, und die Vergangenheit war ebenso ausgelöscht wie die Zukunft. Da waren nur noch ich und er. Ich hatte keine Ahnung, was ich tun sollte.
    Ich blieb den ganzen Tag bei ihm. Wir liebten uns, und wir redeten, auch wenn ich später nicht mehr wußte, worüber. Lauter kleine Dinge, seltsame Erinnerungen.
    Gegen elf schlüpfte er in Jeans, Sweatshirt und Turnschuhe und ging zum Markt. Als er zurückkam, fütterte er mich mit kalter, saftiger Melone. Um eins machte er uns ein Omelette mit Tomaten und öffnete eine Flasche Champagner. Es war richtiger Champagner, nicht nur Sekt oder Prosecco. Er hielt das Glas, während ich trank. Dann nahm er selbst einen Schluck und ließ mich den Champagner aus seinem Mund trinken. Er legte mich aufs Bett und sprach über meinen Körper, wobei er alle meine Vorzüge aufzählte, als wollte er sie katalogisieren.
    Wenn ich etwas sagte, hörte er mir genau zu, achtete wirklich auf jedes einzelne Wort, als müßte er alles speichern, um sich später daran erinnern zu können. Der Sex, unsere Gespräche und das Essen wurden eins. Wir aßen, als würden wir einander essen, und berührten uns, während wir sprachen. Wir liebten uns unter der Dusche, auf dem Bett und auf dem Boden. Meinetwegen hätte der Tag ewig dauern können. Ich war so glücklich, daß es schmerzte. Irgendwie fühlte ich mich wie ein neuer Mensch, erkannte mich selbst nicht mehr. Sobald er die Hände von mir nahm, begann ich zu frieren und fühlte mich verlassen.
    »Ich muß gehen«, sagte ich schließlich. Draußen war es schon dunkel.
    »Ich möchte dir etwas geben«, sagte er und löste das Lederband mit der silbernen Spirale von seinem Hals.
    »Aber ich kann es nicht tragen.«

    »Faß es manchmal an. Trag es in deinem BH oder in deinem Slip.«
    »Du bist verrückt.«
    »Verrückt nach dir.«
    Ich nahm das Halsband und versprach ihm, daß ich ihn anrufen würde. Diesmal wußte er, daß ich es ernst meinte.
    Dann eilte ich nach Hause. Zu Jake.

    5. KAPITEL
    In den folgenden Tagen war mein Leben ganz und gar auf die kurzen Zeiten voller Sex mit Adam ausgerichtet – auf die Mittagspausen, die frühen Abende und eine ganze Nacht, als Jake zu einer Konferenz mußte. Und ich log und log und log, wie nie zuvor in meinem Leben. Ich belog Jake, unsere Freunde und meine Kollegen im Büro.
    Ich war gezwungen, eine Reihe alternativer fiktionaler Welten aus Terminen, Besprechungen und Besuchen zu schaffen, um mein geheimes Leben mit Adam zu vertuschen. Es war ungeheuer anstrengend, ständig darauf zu achten, daß meine Lügen stimmig waren, und im Gedächtnis zu behalten, was ich zu wem gesagt hatte. Zu meiner Verteidigung kann ich nur anführen, daß ich von etwas gefangen war, das ich selbst kaum begriff.
    Einmal hatte Adam sich angezogen,

Weitere Kostenlose Bücher