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Höhenangst

Titel: Höhenangst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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Grunde willst du es doch gar nicht wissen.«
    »Doch. Wenn du glaubst, daß deine Arbeit für uns wichtig ist, dann will ich es wissen.«
    »Ich habe dir ja schon erzählt, daß ich für einen großen Pharmakonzern arbeite. Seit einem Jahr bin ich einer Arbeitsgruppe zugeteilt, die ein neues Intrauterinpessar entwickelt. Nun weißt du es.«
    »Damit hast du mir noch nichts über dich erzählt«, meinte Adam. »Bist du diejenige, die das Ding entwickelt?«
    »Nein.«
    »Bist du für die wissenschaftliche Seite des Ganzen zuständig?«
    »Nein.«
    »Vermarktest du das Produkt?«
    »Nein.«
    »Was zum Teufel tust du dann ?«
    Ich lachte.
    »Dieses Gespräch erinnert mich an ein Erlebnis, das ich als Kind mal in der Sonntagsschule hatte. Ich meldete mich und sagte, ich wisse, daß der Vater Gott sei und der Sohn Jesus, aber was mache denn eigentlich der Heilige Geist?«
    »Was hat dein Lehrer geantwortet?«
    »Er hat ein ernstes Wort mit meiner Mutter gesprochen.
    Aber bei der Entwicklung von Drakloop IV bin ich so eine Art heiliger Geist. Ich fungiere als Nahtstelle, organisiere dieses und jenes, pendle von einem zum anderen und gehe zu Besprechungen. Kurz gesagt, ich bin Managerin.«
    Adam lächelte. Dann wurde sein Blick wieder ernst.
    »Macht dir das Spaß?«
    Ich überlegte einen Moment und schüttelte dann den Kopf.
    »Ich weiß nicht, so richtig habe ich mir das noch nie eingestanden. Das Problem ist, daß mir als Wissenschaftlerin gerade die Routinearbeiten, die andere immer so langweilig finden, am besten gefallen haben. Es hat mir Spaß gemacht, Protokolle zu schreiben, Versuchsanordnungen aufzubauen, Beobachtungen anzustellen, Zahlen zu vergleichen und Ergebnisse zu notieren.«
    »Und dann?«
    »Ich nehme an, ich war zu gut darin. Ich bin befördert worden. Aber eigentlich sollte ich dir das alles gar nicht verraten. Wenn ich nicht aufpasse, merkst du noch, was für eine langweilige Frau du da in dein Bett gelockt hast.«
    Da Adam weder lächelte noch sonst irgendwie reagierte, wurde ich verlegen und versuchte krampfhaft, das Thema zu wechseln. »Aktivitäten im Freien waren nie so mein Ding. Hast du sehr hohe Berge bestiegen?«
    »Manchmal.«
    »So richtig hohe? Wie den Everest?«
    »Manchmal.«

    »Das ist ja toll!«
    Er schüttelte den Kopf.
    »So toll auch wieder nicht. Der Everest ist …« Adam suchte nach dem richtigen Wort. » Technisch keine wirklich interessante Herausforderung.«
    »Willst du damit sagen, daß es leicht ist?«
    »Nein, nichts, was höher ist als achttausend Meter, ist leicht. Aber wenn man Glück mit dem Wetter hat, ist der Everest keine große Sache. Da werden Leute hinaufgeführt, die nicht mal richtige Kletterer sind. Sie sind bloß reich genug, um richtige Kletterer als Führer anzuheuern.«
    »Aber du warst ganz oben?«
    Adam schien die Frage unangenehm zu sein, als fiele es ihm schwer, das jemandem zu erklären, der sowieso nichts davon verstand.
    »Ich war schon ein paarmal oben. 1994 habe ich eine ganze Expedition hinaufgeführt.«
    »Wie war es?«
    »Ich fand es schrecklich. Neben mir standen zehn fotografierende Leute auf dem Gipfel. Und der Berg …
    Der Everest sollte eigentlich etwas Heiliges sein. Als ich oben war, sah der Berg aus wie ein Ausflugsziel für Touristen, das sich langsam in eine Müllhalde verwandelte. Alles mögliche lag herum: alte Sauerstoffflaschen, Zeltzubehör, gefrorene Scheiße, im Wind flatternde Seile, Kadaver. Auf dem Kilimandscharo ist es noch schlimmer.«
    »Bist du in letzter Zeit auch wieder geklettert?«
    »Seit dem letzten Frühjahr nicht mehr.«
    »Warst du da auf dem Everest?«
    »Nein. Ich war einer von mehreren Führern, die für eine Expedition auf den Chungawat angeworben worden waren.«
    »Den Namen dieses Berges habe ich noch nie gehört. Ist der in der Nähe des Everest?«
    »Ziemlich nahe, ja.«
    »Ist er gefährlicher als der Everest?«
    »Ja.«
    »Habt ihr es bis zum Gipfel geschafft?«
    »Nein.«
    Adams Stimmung war umgeschlagen. Seine Augen wirkten schmal, sein Blick verschlossen.
    »Was ist, Adam?« Er gab mir keine Antwort. »War das dort, wo …?« Ich ließ meine Finger zu seinen verstümmelten Zehen hinuntergleiten.
    »Ja«, sagte er.
    Ich küßte die Stelle.
    »War es sehr schlimm?«
    »Du meinst die Zehen? Nicht wirklich.«
    »Ich meine das Ganze.«
    »Ja, es war sehr schlimm.«
    »Wirst du es mir eines Tages erzählen?«
    »Eines Tages. Nicht jetzt.«
    Ich küßte seinen Fuß, seinen Knöchel. Langsam arbeitete ich

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